Pressed Motion: Gestaltung von Tonelementen im Extrusionsverfahren

Dynamischer Ton: Was passiert, wenn man Bewegung in eine sonst eher statische Produktionsweise bringt, erforscht die Objektdesignerin Martina Häusermann in ihrer Bachelorarbeit an der Hochschule Luzern.

Wer schon einmal Nudeln selbst gemacht hat, weiß, dass gleichförmige Makkaroni am besten mit einer Pasta-Maschine gelingen. Beim Extrusionsverfahren werden auf eine ähnliche Art und Weise Materialien mithilfe einer Maschine in Form gepresst. Das Verfahren kommt beispielsweise bei der Produktion von Ziegeln oder Stahlprofilen zum Einsatz. Was passiert jedoch, wenn man Bewegung in den Prozess bringt? Mit dieser Frage beschäftigte sich Martina Häusermann 2021 im Rahmen ihrer Bachelorarbeit im Fach Objektdesign an der Hochschule Luzern. Das ausgewählte Material: Ton.

Gestaltung durch Bewegung

An der Schnittstelle von Design, Handwerk und Industrie erforscht Häusermann das Potenzial dynamischer Keramikextrusion. Wie lässt sich die Form des Endprodukts beeinflussen, wenn das Profil während des Pressens verändert wird? Um das herauszufinden, entwickelte sie bewegliche Aufsätze, die sich während des Pressvorgangs modifizieren lassen. Hierfür recherchierte Häusermann zunächst technische Verfahren, die in der Industrie Verwendung finden. Außerdem befasste sie sich mit den gestalterischen Möglichkeiten der Keramikextrusion. In einem Vektorgrafik-Programm entwickelte sie anschließend mögliche Formen für die Aufsätze. Diese fertigte sie im ersten Schritt aus MDF-Platten, die sie auf eine selbstgebaute, von Hand betriebene Extruderpistole montierte.

Von manuell zu maschinell

Der Einsatz eines manuell betriebenen Extruders erwies sich schnell als suboptimal, da gleichzeitig die Masse herausgepresst und der Aufsatz bewegt werden musste. Überdies muss bei diesem Verfahren angesichts der hohen Viskosität von Ton viel Kraft aufgewendet werden, um das Material durch die Schablone drücken zu können. Des Weiteren stellte Martina Häusermann fest, dass sich der Ton beim Austreten aus der Pistole krümmte. Dies machte eine Führung des Strangs nach der Extrusion notwendig. All diese Faktoren führten zu der Entscheidung, auf ein maschinelles Verfahren umzusteigen. Häusermann wechselte auf eine elektrisch betriebene Strangpresse mit Doppelschnecke. Die Austrittsöffnung dieser Maschine misst 90 Millimeter. Durch das Drehen, Verschieben und Übereinanderlegen der Aufsätze sind facettenreiche Formen, Strukturen und Oberflächen entstanden.

Einsatz von Farbe

Nachdem das Herstellungsverfahren optimiert war, experimentierte Martina Häusermann mit verschiedenen Möglichkeiten, ihren Tonelementen Farbe zu verleihen. Beispielsweise testete sie die sogenannte Neriage-Technik, bei der verschiedenfarbige Tonsorten zusammengemischt werden, um ein marmoriertes Muster zu erzeugen. Diese Technik erwies sich als ungeeignet, da sich durch die Doppelschnecke im Extruder, die verschiedenen Sorten zu stark vermischten. Weiterhin probierte sie verschiedene Engoben, Glasuren und Sprays aus. Während die Engobe die Tiefenwirkung der Objekte unterstützt, überdeckt die Glasur die unregelmäßigen Strukturen, die den Reiz der Erzeugnisse ausmachen.

Vielfältige Anwendung

Ob als Kleiderhaken, Buchstütze oder Tischbein – Die Anzahl der möglichen Anwendungen ist groß. Da manche Elemente gitterartig durchbrochen sind, ist auch der Einsatz als Sicht- oder Sonnenschutz denkbar. Martina Häusermann schlägt in der Dokumentation ihrer Bachelorarbeit den Einsatz als Raumtrenner vor. Das Material Ton wirkt sich nicht nur positiv auf das Raumklima aus, die raue Oberflächenstruktur könnte zudem die Raumakustik günstig beeinflussen. Eine unerwartete Anwendung finden die Tonelemente in dem Projekt „Rrreefs“, das sich dem Wiederaufbau von Korallenriffen verschrieben hat. Dafür wurden rechteckige Elemente aus Keramik entwickelt, die seit Herbst 2022 über im karibischen Meer in Kolumbien auf ihr Potenzial zur Ansiedlung von Korallenlarven getestet werden.


Derzeit arbeitet Martina Häusermann an einer Vasen-Kollektion, die sie mit dem Extrusionsverfahren herstellt. Dadurch, dass die Ergebnisse bei dieser Produktionsweise nur zu einem gewissen Teil beeinflusst werden können, ist jede Vase ein Unikat. Die Gefäße unterscheiden sich in ihrer Oberflächenstruktur und ihrer Größe. Die Kollektion soll noch 2023 erscheinen. Weitere Projekte mit dem Extrusionsverfahren sind in Planung.

Video: Hochschule Luzern