Moderne auf dem Prüfstand: Ein internationaler Workshop in Valencia

Studierende aus fünf verschiedenen europäischen Universitäten trafen sich in Valencia, um Zukunftsszenarien für einen modernen Schulkomplex zu entwerfen.

Optimismus, Fortschrittsglaube, Aufbruchsstimmung: Die Architektur der 1960er Jahre war von einem innovativen Geist geprägt. Heute stellt sich die Frage, ob die Ideale, die vor rund 60 Jahren gültig waren, noch immer zutreffen. So steht auch die Escuelas San José (ESJ) in Valencia, zwischen 1961 und 1968 von den Architekten Cayetano Borso di Carminati González und Rafael Contel Comenge erbaut, heute vor neuen Herausforderungen. Der moderne Gebäudekomplex umfasste ursprünglich neben Klassenräumen für eine Grundschule, Sekundarstufe, Abitur und Berufsschule auch eine Kapelle, Aula, Arbeiterwohnungen, Cafeteria und zahlreiche Sportanlagen.

Im Rahmen eines von Erasmus+ geförderten „Blended Intensive Programme“ (BIP) kamen Studierende aus Berlin, Porto, Montpellier, Valencia und Ljubljana zusammen, um im Austausch miteinander Entwürfe für die ESJ zu entwickeln. Der Workshop „Interventions on contemporary architectural heritage“ fand vom 30. August bis zum 4. September 2023 in Valencia statt. Ziel war es, die von Jesuiten geführte Schule an heutige Anforderungen bezüglich der Verknüpfung mit der Nachbarschaft, der Unterrichtskonzepte und der klimatischen Bedingungen anzupassen.

Austausch europäischer Ideen

Nach einem digitalen Treffen im Juni 2023, bei dem die Universitäten erste Ideen austauschen konnten, startete der Workshop in Valencia mit einer Führung durch den Schulkomplex. Die Teilnehmenden hatten zwei Tage lang die Möglichkeit, sich mit den Gebäuden vertraut zu machen und in internationalen Gruppen erste Entwurfsansätze zu entwickeln. An den zwei nachfolgenden Tagen arbeiteten die Studierenden in den Studios der gastgebenden Escuela de Superior Técnica de Arquitectura (ETSA). Thematische Vorträge, Diskussionsrunden und Zwischenpräsentationen begleiteten die Konzeptfindungsphase. Dabei konnten die Teilnehmenden besonders vom Austausch der unterschiedlichen Sichtweisen profitierten – beispielsweise in einer intensiven Debatte um die Auffassung des Begriffs „heritage“: Was gilt überhaupt als bauliches Erbe? Was muss erhalten, was darf verändert werden? Welcher Umgang mit verschiedenen Zeitschichten ist der Richtige?

Städtebaulich, architektonisch, konstruktiv

Am letzten Tag des Workshops präsentierten die Studierenden ihre Arbeit während einer Exkursion zur Universidad Laboral de Cheste, eine in den 60er Jahren vom Architekten Fernando Moreno Barberá erbaute und heute zu großen Teilen leerstehende Universität in der Nähe von Valencia. Die Projekte fokussierten sich auf verschiedene Maßstäbe – von städtebaulich, über architektonisch bis konstruktiv – und boten so Lösungsansätze für die vielfältigen Problemstellen der Schule.

Ursprünglich inmitten von Feldern erbaut, ist die ESJ heute von Wohngebäuden umgeben. Eine Verzahnung mit der wachsenden Stadt erfolgte jedoch nie. So gleicht der Komplex noch immer einer von Mauern und Stacheldraht umgebenen Insel, was auch mit einem in Spanien üblichen kulturellen Empfinden von Sicherheit zusammenhängt. Die Studierenden schlugen unterschiedliche Wege für einen differenzierten Umgang mit den Schwellenräumen vor, die die Schule zur Stadt hin öffnen und gleichzeitig den Schutz der Kinder gewährleisten sollten.

Im architektonischen Maßstab galt es, die starre Anordnung der alten Klassenräume zu durchbrechen, um sie für heutige Lehrkonzepte verwenden zu können. Die Projekte transformierten die bestehenden Strukturen oder entwarfen zusätzliche Klassenzimmer, um ein diverses Raumangebot zu schaffen: groß oder klein, innen oder außen, offen oder geschlossen.

Zuletzt musste das Problem der klimatischen Gegebenheiten in Angriff genommen werden: im Winter zu kalt und im Sommer zu warm. Die Herausforderung bestand darin, die Fassade zu modernisieren, und gleichzeitig gestalterische Aspekte zu bedenken. Wie stark darf die moderne Fassade verändert werden? Eine Lösung bestand darin, die technischen Anforderungen auf eine zweite, hinter der ersten liegenden Fassade zu übertragen und diese dadurch in ihrer Erscheinung belassen zu können.

Blended Intensive Programmes

Durch BIPs ermöglicht Erasmus+ die Förderung von kurzen Studienaufenthalten von fünf bis dreißig Tagen. Ein solcher Auslandsaufenthalt wird als gemeinsam angebotene Lehrveranstaltung in den regulären Curricula der zusammenarbeitenden europäischen Hochschulen eingebettet. Studierende können so niedrigschwellig an den Veranstaltungen teilnehmen, da die Bewerbung wie auch bei anderen Modulen des Lehrplans abläuft. Auf diese Weise haben auch solche Studierende Zugang zu einem Studienaufenthalt, denen aus verschiedenen Gründen keine längeren Auslandserfahrungen möglich sind. Kurzzeitaufenthalte werden mit 70 Euro pro Aufenthaltstag gefördert, für nachhaltiges Reisen stehen bis zu vier zusätzliche Tage zur Verfügung.