Learning from Luckenwalde: Interventionen im Kraftwerk

Vom E-Werk zum E-Campus: Mit einem kursübergreifenden Programm widmete sich der Chair for Sustainable Urbanism ein Semester lang der Weiterentwicklung eines ehemaligen Kohlekraftwerks.

Was können Planer*innen von einer deutschen Kleinstadt lernen? In drei Seminaren beschäftigte sich der Chair of Sustainable Urbanism der Technischen Universität Berlin (TU Berlin) mit der Kreisstadt Luckenwalde, rund 50 Kilometer südlich von Berlin. Unter der Leitung von Prof. Moritz Maria Karl und Georg Hubmann haben Studierende den Ort besucht und ihn anhand zahlreicher Methoden erforscht. Die Ergebnisse wurden bei dem Symposium „Burn Out” im multifunktionalen E-WERK Luckenwalde im Juli 2023 präsentiert.

Kunststrom vom E-WERK

Als Kohlekraftwerk 1913 gebaut, produziert das jetzige E-WERK heute CO₂-neutralen Strom aus Holzgas und ist zu einem Zentrum für zeitgenössische Kunst geworden. Nachdem das Kraftwerk 1989 seine Produktion einstellte, wurde es rund 30 Jahre später vom Stromanbieter Performance Electrics unter dem Künstler Pablo Wendel erworben. Was hier nun erzeugt wird, läuft unter dem Begriff Kunststrom – eine Metapher für regenerative Energie, die durch entsprechende Einnahmen künstlerische Projekte fördert. Der Strom des Anbieters wird an zahlreichen Standorten wie Stuttgart, Brüssel, São Paulo oder Luckenwalde produziert, während die Gewinne zu 100 Prozent in die Förderung von Kunst und Kultur fließen. Die Produktion des Kunststroms soll damit eine Kritik an den herkömmlichen Riesen-Energieversorgern sein und gleichzeitig der Gemeinnützigkeit dienen.

Neben der Produktionsstätte selbst finden auf den vier Etagen zahlreiche Werkstätten sowie Ausstellungsflächen und Ateliers Platz. Zum Kraftwerk gehört zudem ein großzügiger Außenbereich, der bereits zahlreiche Nutzungsmöglichkeiten bietet, wie eine Außenküche oder eine geodätischen Kuppel für diverse Veranstaltungen. Ein Highlight des historischen Ensembles ist außerdem das alte Stadtbad im Dessauer Bauhausstil. Zwar wird das von Hans Hertlein 1928 entworfene Gebäude derzeit noch renoviert, war jedoch bereits Austragungsort zahlreicher Veranstaltungen – wie unter anderem der Inszenierung der Erfolgsoper „Sun & Sea“ von Lina Lapelytė.

Ein E-Campus für Luckenwalde

Langfristig soll der Ort zu einem energieerzeugenden Campus für Kunst und Bildung transformiert werden. Wie kann ein solcher in Zeiten extremer Ressourcenknappheit und Klimawandel gestaltet und umgesetzt werden? Das ist eine der treibenden Fragen, mit der sich der Chair of Suistainable Urbanism im letzten Semester auseinandersetzte. Das Designstudio „Learning from Luckenwalde“, das Bachelor-Seminar „From Where I Stand” sowie ein Teil des Master-Kurses „Circular Urban Systems” erforschten anhand unterschiedlicher Methoden die 20.000 Einwohner*innenstadt. Dabei wurden in einer ersten Phase öffentliche Räume, Landschaften und ökologische Systeme auf unterschiedliche Weise kartiert und versteckte Potenziale, Ressourcen sowie wichtige Akteure*innen der Stadt ermittelt. Großer Wert lag auf Beobachtungen und der Arbeit vor Ort. „Learning from Luckenwalde“ fokussierte sich auf die Entwicklung des E-Campus unter nonkonformistischen Planungsansätzen. Hier waren insbesondere partizipative Ansätze gefragt, sodass ein weites Spektrum verschiedener Entwicklungsmöglichkeiten entstand – von Vernetzungsprojekten für das Stadtbad, Analysen des Leerstandes bis zu Konzepten für gemeinsame Pflaster-Aktionen vor Ort. Neben dem Entwurf eines Gemeinschaftsgartens haben die Studierenden Wasserkreisläufe erforscht und neu gedacht sowie ein Spiel zur Zirkularität in Luckenwalde entwickelt. Die Lage und Geschichte des E-Campus sollte aktiv in den Entwurfsprozess eingebunden werden. Hierfür konzipierten die Studierenden Workshops, die sie im Juli 2023 beim Symposium „Burn Out“ im E-WERK ausgetragen haben.

Burn Out

Unter der Forderung nach menschlicher und planetarischer Nachhaltigkeit lud das Symposium „Burn Out” zahlreiche Referent*innen aus verschiedenen Disziplinen für ein Wochenende nach Luckenwalde ein. Mit einem Fokus auf dem Gleichgewicht von wissenschaftlichen sowie künstlerischen Praktiken sollte die Kunst als gleichwertige Wissensvermittlung anerkannt werden. Bei sommerlichen Temperaturen wurde über zwei Tage der Status Quo zu den Themen Klima, Kapitalismus und Umweltimperialismus diskutiert. Es gab wissenschaftliche Beiträge, Comedy Sketches, Ausstellungen, Filme und Konzerte.

Die Workshops der Studierenden des Chair of Sustainable Urbanismus fanden parallel über das Gelände verteilt statt. Dabei entwickelten sich die Workshop-Stationen zu wichtigen Schnittstellen zwischen den Bewohner*innen Luckenwaldes und dem Symposium. „Burn Out" erwies sich somit als eine interdisziplinäre Veranstaltung, die kreativen und generationsübergreifenden Austausch ermöglichte.