Learning from Grabs: Der regional verankerte Ansatz von Allen + Crippa
Der Mensch steht im Zentrum des Raums, der sinnvolle Einsatz eines Baustoffs im Mittelpunkt der Konstruktion und das Gebäude in Verbindung zu seinem kulturhistorischen Kontext – Wir werfen einen Blick auf die architektonischen Haltung des Büros Allen + Crippa.
Timothy Allen und Ronan Crippa sind seit ihrer Kindheit befreundet. Sie wuchsen im selben Dorf in der Ostschweiz auf, besuchten gemeinsam die Schule und entschieden sich beide für ein Architekturstudium an der ETH Zürich. Direkt nach dem Abschluss 2022 gründeten sie das Büro Allen + Crippa, das sich binnen zwei Jahren als eines der vielversprechendsten jungen Architekturbüros der Schweiz etablierte. 2024 gewannen Timothy und Ronan den Schweizer Nachwuchspreis, hielten weltweit Vorträge und übernahmen einen Lehrauftrag an der Universität Liechtenstein. Trotz ihres internationalen Erfolgs bleibt ihre Arbeit fest in ihrer Heimatregion verwurzelt.
#StudioUnderConstruction wirft einen Blick auf Entstehungsgeschichten, Projekte und Philosophien von Architekturbüros, die ihre Gründung innerhalb der letzten fünf Jahre vollzogen haben – oder mittendrin stecken. Eine Reihe von und für Newcomer*innen.
Genese der Gründung
Bereits während des Studiums erhielten die beiden Architekten erste Projektanfragen aus ihrem Heimatort. Damals fehlte ihnen jedoch das konstruktive Wissen. „An der Uni lernten wir, gesellschaftliche Probleme zu analysieren, aber nicht, wie man konkret baut“, erinnerte sich Timothy. Diese akademische Grundlage schärfte jedoch ihr Verständnis für baukulturelle und politische Sachverhalte. So engagierten sie sich gesellschaftspolitisch für die Baukultur in Grabs, deren Baurichtlinien sie als veraltet empfanden. Mit Aufklärungsmaßnahmen wie Dorfspaziergängen sensibilisierten sie die Gemeinde für Biodiversität, Klimawandel, graue Energie und den Erhalt von Bauten.
Ihr Engagement zahlte sich aus: Die „Mischung aus Eigeninitiative und Eigenakquise“ führte schließlich zu ersten Projektaufträgen. Sie starteten vorsichtig mit den baulichen Eingriffen in einem geschützten Rahmen. Die Zusammenarbeit mit einem lokalen Ausführungsbüro half ihnen, konstruktive Expertise zu gewinnen und gestalterische Freiheit zu bewahren. Diese fachlichen Unterstützung gab ihnen die Möglichkeit, explorativ eine eigene Haltung zu entwickeln.
Ein Haus ohne Abfall
Atmosphärische Räume, materialsensible Konstruktionen und der sorgfältig kalibrierte Einsatz von Ressourcen prägen die Architektur von Allen + Crippa. Ein Beispiel dafür ist das „Gässlihaus“ – eine einzigartige Bauaufgabe in Holz und Lehm, die Timothy und Ronan als Abschlussarbeit ihres Studiums initiierten und realisierten. Um die historisch wertvolle Typologie vor dem Abbruch zu retten, demontierten sie das Haus und bauten es an einem neuen Standort wieder auf. Für eine zeitgemäße Nutzung erweiterten sie es um einen Neubau aus Stampflehm. Dabei experimentierten die Architekten mit innovativen Lösungen wie Hanfdämmung, Kalkputz und verdübelten Holzdecken – ein Haus ohne Abfall. Das Gässlihaus spiegelt das Credo des Büros wider und erzeugte überregionale Aufmerksamkeit.
Aufklärungsarbeit auch in der Lehre
Im Wintersemester 2024/25 starteten Timothy und Ronan einen dreijährigen Lehrauftrag in Liechtenstein – unweit von Grabs. Im akademischen Kontext sehen sie die Chance, einen Diskussionsraum zu öffnen, der zu radikaleren oder visionären Lösungen führen kann. Ihre Lehre behandelt drei aktuelle Themen: Bauen im Bestand anhand der Typologie Einfamilienhaus – der meistverbreiteten Schweizer Bauform – sowie denkmalpflegerische Maßnahmen für den Ortsbildschutz von Siedlungen und die Transformation von Industriearealen.
Klein ist erstmal fein
„Wir arbeiten in einem Kontext und einer Größe, die uns vieles selbst zutrauen lässt“, betont Timothy. Das Team von fünf bis sieben Personen und die überschaubare Größe der Aufträge erlauben es ihnen, im Kleinen zu experimentieren und zu lernen. Auch die Büroführung übernehmen sie selbst, einschließlich Buchhaltung und Websitepflege. Ein großes Learning ist das Zeitmanagement: Wofür investiere ich Zeit? Zwischen Baustellen, Vorträgen, Engagement, Lehre und Büromanagement meistern Timothy und Ronan den Balanceakt. Ihre Architekturhaltung erfordert letztendlich ein langsames, gut abgestimmtes Wachstum.