Kaiserliche Architektur zum Auseinandernehmen: Tangyang Paper Models

Im Rahmen eines interdisziplinären Projekts rekonstruierten Studierende der TU Berlin ein kaiserliches Mausoleumsmodell und reisten im Anschluss für zwei Wochen nach China, um dort die realen Vorbilder zu erkunden.

Modelle sind Werkzeuge des Denkens: Sie prüfen Ideen, erklären Bauweisen und machen Entscheidungen greifbar, lange bevor der erste Stein fällt. In China hat diese Praxis Tradition. Die sogenannten Tangyang, detailreiche, bemalte Papiermodelle, stellen kaiserliche Mausoleen der späten Qing-Dynastie maßstabsgetreu dar. Sie dienten nicht nur der Präsentation vor kaiserlichen Auftraggebern, sondern auch als genaue Vorlage für die Bauausführung. Drei dieser seltenen Objekte befinden sich heute im Ethnologischen Museum Berlin. Trotz ihrer kunstvollen Ausführung blieben sie lange wissenschaftlich unbeachtet. An der Technischen Universität Berlin widmete sich ein interdisziplinäres Forschungsprojekt diesem traditionellen Modellbau-Handwerk. Unter der Leitung von Prof. Ursula Quatember rekonstruierten zwölf Studierende im Sommersemester 2024 das Mausoleumsmodell des Kaisers Guangxu (reg. 1875–1908). In enger Kooperation mit der Tsinghua University Beijing und dem Ethnologischen Museum Berlin bauten sie nicht nur das Modell nach, sondern erforschten auch die historischen Herstellungstechniken.

Architektonische Forschung im Modell

Umfangreiche Materialanalysen, die das Team der Tsinghua University an einem ähnlichen Modell durchführte, bildeten die Grundlage. Sie nutzten Methoden wie UV- und Röntgen-Spektroskopie sowie mikroskopische Untersuchungen. Dieses Wissen floss direkt in das Berliner Projekt ein. Die filigranen Konstruktionen bestehen aus bis zu 65 passgenauen Einzelteilen. Jedes Teil ist nummeriert und beschriftet, um seine Funktion und Position im Gesamtmodell nachvollziehbar zu machen. Zudem enthalten sie Maßangaben, Bauteilbezeichnungen und Hinweise auf konstruktive Details.

Von Beijing nach Berlin und zurück

Für den Nachbau reisten chinesische Studierende mit traditionellen Materialien wie Kleber und Pigmenten im Gepäck nach Berlin. Gemeinsam mit ihren Berliner Kolleg*innen stellten sie Reiskleber her und fertigten ganze Gewölbe aus Papier. Selbst Räucherstäbchen wurden als Bauelemente im Dachbereich genutzt. Im Gegenzug reisten TU-Studierende im Rahmen einer 14-tägigen Exkursion nach Beijing. Dort besichtigten sie die Mausoleen in der Verbotenen Stadt, zeichneten Skizzen, fotografierten und warfen einen Blick in die Restaurierungslabore der Tsinghua University. Dabei konnten die Studierenden ihre Erfahrungen vom Modellbau direkt mit dem realen Bauwerk vergleichen. Ein Ansatz, der auch in die Masterarbeit des Kursteilnehmenden Yuzhe Jia einfloss, in der das historische Tangyang-Modell dem realen Baubestand der Grabanlagen gegenübergestellt wurde.

Modelle als Brücke zwischen Kulturen

Mit einem Vergleich des Modellbauhandwerks in China und Europa haben die Forscher*innen das gesetzte Ziel, besser zu verstehen, wie historische Architekturmodelle entstanden und welche Rolle sie spielten. Langfristig sollen daraus gemeinsame Projekte zur Restaurierung und Forschung in Museen und Universitäten beider Länder entstehen. Im September wird der Berliner Nachbau erstmals in Beijing, unter anderem im Prince Gong Palast in der Verbotenen Stadt, ausgestellt.