In Eigenregie bauen und wohnen: Das „Collegium Academicum“

In Universitätsstädten wie Heidelberg ist an bezahlbaren Wohnraum schwer heranzukommen. Seit nunmehr zehn Jahren arbeitet eine ehrenamtliche Projektgruppe an einer Lösung für dieses Problem. Im Februar 2023 sind die ersten Bewohner*innen in das sogenannte  „Collegium Academicum“ gezogen – ein selbstverwaltetes Wohnheim für Personen in ihrer Ausbildung.

Am 14. Juli 2023 wurde das Wohnheim und Bildungsprojekt „Collegium Academicum“ in Heidelberg feierlich eröffnet. Die ersten 176 Studierenden, Promovierenden und Auszubildenden wohnen bereits seit Februar 2023 in dem vierstöckigen Holzneubau auf der Heidelberger Konversionsfläche „US Hospital“. Ende des Jahres soll die Sanierung des angrenzenden Bestandsgebäudes abgeschlossen werden und weiteren 50 jungen Menschen bezahlbaren, selbstverwalteten und ökologisch vertretbaren Wohnraum bieten. Neben der Schaffung kostengünstiger Unterkünfte möchten die Initiator*innen vor allem den kulturellen und sozialen Austausch zwischen den Bewohner*innen fördern und Demokratie erlebbar machen. Das Projekt ist Teil der IBA Heidelberg, die von 2012 bis 2022 stattfand.


Wie alles begann

Die Idee und der Name des „Collegium Academicum“ gehen auf ein selbstverwaltetes Studierendenwohnheim zurück, das in der Zeit von 1945 bis 1978 in den Räumen der heutigen Universitätsverwaltung in der Heidelberger Altstadt betrieben wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg forderte die US-amerikanische Besatzungsmacht eine schnellstmögliche Wiederaufnahme des universitären Betriebs. Da ein großer Teil des Wohnungsbestands in Trümmern lag, musste neuer Wohnraum für die Studierenden geschaffen werden. Bis zur Auflösung des Wohnheims im Jahr 1978 lebten die Studierenden im sogenannten „Carolinum“ – einem Gebäude, das Kurfürst Carl Philipp um 1750 als katholische Bildungseinrichtung erbauen ließ. 

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum für Studierende ist heute zwar nicht Kriegszerstörungen geschuldet. Dennoch haben es Personen, die sich in der Ausbildung befinden aktuell schwer, eine Wohnung in einer Stadt wie Heidelberg zu finden. Die Idee für ein neues „Collegium Academicum“ entstand 2013 in einer Heidelberger Wohngemeinschaft, deren Bewohner*innen den interdisziplinären Austausch und das gemeinschaftliche Zusammenleben sehr schätzten und diese Erfahrung auf einen größeren Maßstab übertragen wollten. Im Gegensatz zum „alten“ Wohnheim, das sich in der Trägerschaft der Universität Heidelberg befand, agiert das neue Wohnheim unabhängig von der Uni. Außerdem können hier neben Studierenden auch Promovierende und Auszubildende wohnen.


Bauen in Eigenregie

Ein großer Teil der Baumaßnahmen erfolgte in Eigenregie. Beispielsweise demontierte die ehrenamtliche Projektgruppe selbstständig Wände im Altbau, stellte die Küchen auf und baute Schiebetüren ein. Zudem hat das Team die Holzmöbel für die WGs selbst entworfen, gefräst und zusammengebaut. Sämtliche Baumaßnahmen, die besondere Expertise erfordern oder sicherheitstechnisch relevant sind, wurden von professionellen Baufirmen durchgeführt. Beim Aufbau der Küchen haben sich die Mitwirkenden von Handwerker*innen zeigen lassen, wie die Küchen einzubauen sind, sodass sie es anschließend selbstständig umsetzen konnten.


Keine Zweck-WG

Ein 14 Quadratmeter großes Zimmer in einer 3er- oder 4er-WG kostet 345 Euro im Monat. Die Zimmer können mit flexiblen Wänden halbiert werden, um mehr Gemeinschaftsfläche in der WG zu haben. Im Mietpreis enthalten sind zudem große gemeinschaftlich genutzte Flächen im gesamten Gebäude. Darunter fallen zum Beispiel eine Aula, die mehr als 600 Personen Platz bietet, ein Multifunktionsraum, der als Haustreffpunkt fungiert sowie eine Werkstatt und ein Dachgarten. Wer einziehen möchte, sollte studieren, promovieren oder eine Ausbildung absolvieren. Außerdem ist es den Initiator*innen des Projekts wichtig, dass sich die Bewohner*innen aktiv am Projekt und an der Selbstverwaltung beteiligen. Die Einzugstermine sind jeweils zum Beginn des Quartals. Bewerben kann man sich über ein Formular, in dem neben Angaben zur eigenen Person und zur Ausbildung auch abgefragt wird, welche Punkte des Leitbilds des Wohnheims man besonders wichtig findet, was man daran eher kritisch sieht, und warum man Lust auf Selbstverwaltung hat.


Wie geht es weiter?

Neben dem großen Neubau gehören zu dem Projekt zwei Altbauten: das alte Verwaltungsgebäude des Krankenhauses und das ehemalige Pförtnerhäuschen. In dem ehemaligen Verwaltungsbau sollen ebenfalls Wohneinheiten für etwa 80 Personen entstehen. 50 davon werden dort ab Herbst 2023 im Rahmen des Programms „falt*r“ wohnen. Dabei handelt es um ein Orientierungsjahr für junge Menschen zwischen Schule und weiterem Lebensweg. Im Rahmen des Programms sollen die Teilnehmer*innen verschiedene Studiengänge und Ausbildungswege kennenlernen und ihre eigene Persönlichkeit weiterentwickeln. Darüber hinaus sollen in dem Altbau zwei finanzierte WGs und sechs Sozialwohnungen für Menschen, die ihren Wohnungsbedarf nicht auf dem freien Markt decken können, untergebracht werden. Außerdem entstehen in dem Gebäude Seminar- und Gemeinschaftsräume. Im ehemaligen Pförtnerhäuschen wird es zukünftig ein selbstverwaltetes Café geben. Angedacht ist zudem eine kleine Lebensmittelkooperative und eine Reparaturwerkstatt. Im Obergeschoss sollen unter anderem Büros für die Selbstverwaltung entstehen.

Video: Collegium Academicum