Holz, Haltung und Handwerkswissen: Wie studio formagora Bildungsformate baut
Mithilfe handwerklicher Workshops eröffnet das studio formagora Möglichkeiten zur Teilhabe und zeigt anschaulich, wie jeder selbst mitgestalten kann.

Gegründet 2022 in Münster, steht das studio formagora für eine Gestaltung, die bewusst Stellung bezieht und sich auf handwerkliche Präzision stützt. Nele Heise, Esra Heuermann, Finn Blankenberg und Nick Potter lernten sich während ihres Designstudiums an der Handwerkskammer Münster (HWK Münster) kennen. Heute arbeiten sie an der Schnittstelle von Gestaltung, Handwerk und Gesellschaftskritik. Ihr Ansatz: Gestaltung soll nicht Wachstum um jeden Preis befördern, sondern konkrete soziale und ökologische Herausforderungen adressieren. Dafür entwickeln sie gemeinsam mit Nutzer*innen öffentliche Räume, Möbel und Konzepte, die den Alltag besser machen. Ob auf dem Kirchplatz, im Vereinsheim oder vor dem Konzerthaus: Am Anfang und Ende dieser Planungsprozesse steht meist ein kollektiver Bau-Workshop.
#StudioUnderConstruction wirft einen Blick auf Entstehungsgeschichten, Projekte und Philosophien von Architekturbüros, die ihre Gründung innerhalb der letzten fünf Jahre vollzogen haben – oder mittendrin stecken. Eine Reihe von und für Newcomer*innen.

Empowerment durch Selbstbau
Der Wunsch, Menschen aktiv in Gestaltungsprozesse einzubinden, zieht sich wie ein roter Faden durch die Arbeit von studio formagora. Schon im Studium experimentierten sie mit partizipativem Design, wie etwa durch bunt gestaltete Sitzgelegenheiten am Heilig-Kreuz-Kirchplatz in Münster. Dieser erste Prozess bildete die Grundlage für ihre jetzige Arbeit. In ihren Workshops schaffen sie Lernräume, in denen auch Menschen ohne handwerkliche Vorerfahrung zum Werkzeug greifen können.

Der Bäuer*innenstuhl
Eines ihrer jüngsten Projekte ist der Bäuer*innenstuhl, den sie mit der B-Side und den Abfallwirtschaftsbetrieben Münster bauten. Inspiriert vom klassischen Bauernstuhl wurde eine Konstruktion entwickelt, die vollständig auf Leim, Schrauben oder Kunststoffe verzichtet. Stattdessen: Holz, Zapfen, Gratleisten und Keile. Das Ergebnis sind 35 Stühle, zwölf davon aus gerettetem Material wie alten Tischplatten oder Friseurtheken. Entstanden sind sie in kostenlosen Workshops, in denen interessierte Laien mit CNC-Fräse und Dickenhobel selbst Hand anlegen – und konkretes Handwerk erlernen sollen.

Stadtmöbel in Wolbeck & Witten
Wie Stadtmöbel Teil städtischer Transformation werden können, zeigt ein weiteres Projekt des Studios in Münster-Wolbeck. Gemeinsam mit dem Gestaltungsbeirat Wolbeck und der Stadt Münster entstand im Sommer 2024 eine kleine Serie aus Pflanzkübeln und Sitzmöbeln aus Douglasie. Entwickelt und gebaut in Workshops mit Anwohnenden, stehen die Möbel nun im öffentlichen Raum und fungieren als Teil eines Verkehrsversuchs zur Beruhigung des Ortskerns. Durch ihren einfachen Aufbau können sie später auch selbstständig gewartet oder repariert werden.

Anfang Mai dieses Jahres sollte nach dem Prinzip auch Stadtmobiliar in Witten einziehen: Im Rahmen der „Wittener Tage für neue Kammermusik 2025“ gestalten Besucher*innen gemeinsam mit dem Büro neue Stadtmöbel für den Vorplatz des Kulturforums. Auch hier gilt das Prinzip: Gemeinsam bauen, gemeinsam verändern.
Studio formagora stellt in ihren Methoden nicht eigene Entwürfe in den Vordergrund, sondern macht sich quasi selbst zu einem Bildungsträger, der solidarisch Orte und Objekte schaffen kann, die für alle eine hohe Qualität bieten.
