Geheimnisse des Gewöhnlichen: Das Seminar „Stadt|Land“

Ausgestattet mit Fotoapparat und wachem Auge begaben sich Studierende in Aachen auf eine Expedition, um die Stadtränder zu erkunden.

Stadt und Land bildeten früher ein klar umrissenes Gegensatzpaar. Mittlerweile kursieren Begriffe wie Thomas Sieverts „Zwischenstadt“, „Rurbane Landschaften“ oder der „Mittelrand“, um neue städtisch-ländliche Kontexte zu beschreiben. Was verbirgt sich hinter den Klischeebildern vom Städtischen und Ländlichen? Kann diese polare Sichtweise in unserer mobilen und globalisierten Welt noch bestehen? Am Lehrgebiet Stadtplanung, Transformation und Prozessgestaltung von Prof. Isabel Maria Finkenberger an der FH Aachen suchten Studierende im Wintersemester 2023/24 mit Unterstützung der Lehrbeauftragten Antonia Leicht nach dem „Übergang von der Drinnenstadt zur Draußenstadt“.

Scharfstellen

Der Kurs widmete sich einer phänomenologischen Aufarbeitung des Übergangsraumes von Stadt und Land. Mit unterschiedlichen Medien und Formaten näherten sich die Teilnehmenden einigen in der Peripherie Aachens eingeschriebenen Themen. Zu Beginn organisierte Antonia Leicht einen Workshop-Tag in der Stadt, um die Wahrnehmung mit fotografischen Übungen zu schärfen und Referenzen auszuloten. Die Studierenden lernten wichtige Begriffe  wie Arbeiten in Serien, Zeitlichkeit und Prozess oder Identität eines Ortes kennenZum Abschluss des Workshop-Tages sollten die angehenden Stadtforscher*innen einen einstündigen Foto-Spaziergang um die Hochschule abhalten. Dabei erhielten sie Begriffspaare wie Resträume/Potenzialräume oder Brüche/Brachen zugelost, auf die sie besonders achten sollten. Jede Person durfte nur fünf Fotos schießen und zwei davon präsentieren, um ein aufmerksames Schauen und Dokumentieren der Umgebung zu fördern.

Unterwegs zwischen Drinnen- und Draußenstadt am Mittelrand

Nach der Auftaktübung führten die Studierenden entlang radialer Linien vom Aachener Stadtzentrum in die Randgebiete eine fotografische Feldforschung durch. Feldforschung bedeutet das Sammeln wissenschaftlich auswertbarer Daten über Verhältnisse in der Wirklichkeit. Für die jungen Architekt*innen hieß das, die Route akribisch zu dokumentieren. Neben Fotografien verwendeten sie zusätzliche Medien wie Zeichnungen, Notizen, das Sammeln von Artefakten, Soundaufnahmen und Interviews. Die subjektive Auswahl der Motive sollte neue Blickweisen auf Sachverhalte im Untersuchungsgebiet eröffnen. Vermeintlich Alltägliches und Nebensächliches konnte so in einem frischen Zusammenhang erscheinen und neue Denk- und Themenfelder erschließen. Die kollektiv erstellten Mappings untersuchten verschiedene Schichten des Stadtgebiets, etwa historische Dimensionen oder das Stadtklima. So entstand parallel zum Einsatz vor Ort ein objektiver Wissenspool über das Untersuchungsareal. Die darüber hinaus angefertigten Critical Mappings berücksichtigen die Subjektivität des Kartierenden und erweiterten die Karten um spekulative Wirklichkeiten oder zeitlich begrenzte Phänomene.

Neue Perspektiven auf die eigene Stadt

Gefundene Phänomene und Themen entwickelten die Seminarteilnehmer*innen in der Nachbereitung der Exkursion in unterschiedlichen Darstellungsmodi weiter. Aus der weiterreichenden Beschäftigung mit dem Vorgefundenen entstanden Modelle, Kurzfilme und literarische Beschreibungen. Vom 30. April 2024 bis zum 18. Mai 2024 wurden die Arbeiten öffentlich im Ausstellungsraum LustAufLife präsentiert. Die Aachener*innen hatten somit die Chance, gemeinsam mit den Studierenden eine neue Perspektive auf ihre Stadt zu entdecken.