Engagement und Streitkultur: Die Kommunistische Studentenfraktion des Bauhaus in Textform

Zwischen den Jahren 1930 und 1932 fungierte die Zeitschrift „bauhaus“ als Sprachrohr der „Kommunistischen Studentenfraktion (Kostufra)“. Heutzutage erklären die 15 Ausgaben das Bauhaus durch sein textliches Erbe. Ein einzigartiger Blick in das Engagement und die Streitkultur der damaligen Studierendenschaft im Gespräch mit Florian Strob und Wolfgang Thöner von der Stiftung Bauhaus Dessau.

Das Bauhaus durch das textliche Erbe verstehen – Welche Ansätze lassen sich in Textform besser erklären als in gebauter Form?

Florian Strob: Zunächst muss man festhalten, dass in der Vergangenheit vor allem die Bilder, Objekte und Architekturen im Vordergrund standen, wenn es um das Bauhaus ging. Text hatte dabei meistens nur einen illustrativen Charakter. Mit dem Forschungsprojekt „Bauhaus Written Heritage“ haben wir das Verhältnis, wie in einer Art Versuchsanordnung, zum ersten Mal umgedreht, um zu schauen, was eigentlich passiert, wenn wir den Text in den Vordergrund rücken. Es ist schon auffällig, wie sehr das Schreiben und Publizieren zum Bauhaus als einer Schule der Moderne gehören. Die Reihe der Bauhausbücher oder die Bauhaus-Zeitschrift kennen sicher viele, sie wurden ja auch nachgedruckt. Doch das Geschriebene geht weit darüber hinaus und zeigt uns, wie es die gebaute Form oder Grundriss, Schnitt etc. nicht könnten, welche anderen Wissensgebiete starken Einfluss auf das Geplante oder Gebaute hatten. Seien es Soziologie, Geografie, Geschichte oder auch Politik.

Welche Rolle und Bedeutung hat die „bauhaus“ Zeitschrift der Kostufra in der Architekturdebatte der damaligen Zeit?

Florian Strob: Die Zeitschrift der kommunistischen Studentenfraktion am Bauhaus erschien in den Jahren 1930 bis 1932 in sicher fünfzehn, vermutlich sechzehn Nummern. Sie wurde hektographiert, d. h. sie ist wahrscheinlich in nicht mehr als hundert bis zweihundert Exemplaren erschienen. Ein Exemplar von Heft 1 konnten wir trotz intensiver Recherche bislang nicht ermitteln. Aus den heftigen Reaktionen in der Lokalpresse lässt sich die Nummer 1 jedoch inhaltlich einigermaßen rekonstruieren. Daran sieht man schon: auf die Architekturdebatte der Zeit war der Einfluss dieser lokalen Studierendenzeitschrift sicherlich gering. Aber wir bekommen damit endlich einen besseren Einblick in einen beträchtlichen, linken Teil der Studierendenschaft am Bauhaus. Es wurde ja auch in den letzten Jahren immer wieder über das politische oder vermeintlich unpolitische Bauhaus gestritten. Hier kommen die Studierenden nun endlich selbst zu Wort. Deshalb hat es mich auch sehr gefreut, dass mein Kollege Wolfgang Thöner, der schon länger zum Thema der Kommunistischen Studierenden am Bauhaus forschte, mit Karoline Lemke die Zeitschrift der Kostufra im Rahmen unseres Forschungsprojekts „Bauhaus Written Heritage“ ediert hat.

Welchen Einfluss und welche Reichweite kann man der Zeitschrift und damit dem politischen und gesellschaftlichen Engagement der Studierenden zuschreiben?

Wolfgang Thöner: Die Zeitschrift entstand aus einem zunächst bauhausinternen Politikum und war dann selbst eins, die ganze Zeit ihres Erscheinens über. Die Zeitschrift hatte einen regionalen Einfluss in Dessau und in Anhalt, sie beeinflusste insbesondere die Politik gegenüber dem Bauhaus und wurde teilweise bis Magdeburg und Berlin wahrgenommen. Die Zeitschrift entstand ja als Reaktion auf Maßnahmen von Hannes Meyer: Nachdem beim Bauhausfest am 1. März 1930 inmitten der geladenen Honoratioren Bauhausstudierende u. a. die „Internationale“ angestimmt hatten und es daraufhin Proteste hagelte, hatte Hanns Meyer sich auf Druck der Schulbehörde gezwungen gesehen, disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen: Er exmatrikulierte einen der beteiligten Studierenden und erklärte die Kostufra für aufgelöst. Es sollte ihm nichts nützen. Hannes Meyer wusste nicht, dass man eigentlich nur noch einen Vorwand suchte, ihn aus seinem Amt zu entfernen, denn die von ihm begonnenen Umstrukturierungen in Struktur und Lehrinhalten des Bauhauses missfielen schon lange vor diesen Vorkommnissen, insbesondere sowohl den Bauhausmeistern Wassily Kandinsky und Josef Albers, als auch dem Landeskonservator Ludwig Grote und dem Oberbürgermeister Fritz Hesse. Die studentischen Macher der Kostufra ahnten sicher nicht, dass sie mit diesem publizistischen Protest wiederum Argumente lieferten, die den zur Entlassung Hannes Meyers Entschlossenen in die Hände spielten. Nach der Entlassung von Hannes Meyer avancierte der ehemalige Direktor zum von der Kostufra gelobten Architekten. Von da an wurde in der Zeitschrift jedes politisch heiße Eisen angefasst und auch Ludwig Mies van der Rohe konnte die Kritik an Zuständen im Bauhaus und an politischen Ereignissen nicht stoppen. Einige Ausgaben der Kostufra riefen immer wieder heftige Reaktionen, hauptsächlich der rechten Presse, hervor.

Wie kann man sich die kommunistische Studierendenfraktion am Bauhaus vorstellen? Wie und wofür setzten sich die Studierenden ein?

Wolfgang Thöner: Die meisten der über 30 (von ca. 150 Studierenden) zur Kostufra bzw. ihren Sympathisanten zu zählenden Studierenden waren damals Mitte 20, die ältesten Jahrgänge waren 1903 geboren, die jüngsten 1912. Eine deutliche Mehrheit stammte aus Familien von Arbeitern und kleinen Angestellten, nur einige wenige aus begüterten Elternhäusern. Es waren junge Menschen, die mit den Verhältnissen in Deutschland unzufrieden waren und Veränderungen bewirken wollten, was durchaus auch von damaligen SPD-Politikern anerkannt wurde (die sich allerdings die direkte Parteipolitik im Sinne der KPD verbaten). Die Kostufra übte Kritik an Gastdozenten, machte Gegenvorschläge und stellte Forderungen an die Leitung des Bauhauses zur Besserung der sozialen Lage der Studierenden, die von der Einrichtung einer Krankenkasse über Freitische bis hin zu besseren Mitbestimmungsrechten, zu Koalitionsfreiheit und Stipendien reichten. In der Nummer 12 vom April 1932 findet sich ein Satz, der wohl am besten die in letztlich allen Zeitschriften erhobenen Forderungen zusammenfasst: „ein anderer meisterrat, eine andere gesellschaft, ein anderes system“

Die Zeitschrift fungierte als Sprachrohr der Kommunistischen Studentenfraktion. Welche anderen Initiativen gab es parallel dazu und wie haben sie einander beeinflusst? 

Florian Strob: In seinem spannenden Beitrag zu unserem Band in der Reihe der Bauwelt-Fundamente hat Marcel Bois diesen Kontext zum ersten Mal aufgearbeitet. Es gab in der gesamten Weimarer Republik Kommunistische Studentenfraktionen an den Hochschulen. Wobei es prozentual in der gesamten Republik nur wenige kommunistische Studierende gab. Die Zeitschrift der Kommunistischen Studentenfraktion am Bauhaus war im Vergleich aber jene mit der größten Strahlkraft. Und das, obwohl die Kostufra am Bauhaus erst um 1928 gegründet wurde.

15 Ausgaben von 1930 bis 1932 – Warum wurde sie eingestellt?

Wolfgang Thöner: Die Nr. 15 erschien im November 1932, einen Monat nachdem das Bauhaus von Dessau nach Berlin gezogen war. Der Neubeginn, nun als Privatinstitut von Mies van der Rohe, war von vielen Schwierigkeiten begleitet. Spätestens im April, nach der Schließung des Bauhauses durch die Polizei, fand kein regelmäßiger Lehrbetrieb mehr statt. In Dessau wurde die Zeitschrift (das wurde auch kenntlich gemacht) von der KPD angeleitet, wozu auch das Herstellen der Vervielfältigungen im Dessau KPD-Büro gehörte. Eine vergleichbare Situation schien sich für Berlin nicht zu ergeben. Und im Sommer 1933 erfolgte die offizielle Auflösung des Bauhauses.   

Welche Rubriken der Zeitschrift fanden Sie besonders aussagekräftig?

Wolfgang Thöner: In der Regel wirft die Kostufra in jeder Ausgabe ihrer Zeitschrift zu Beginn einen Blick auf die außen- und innenpolitische Lage (von den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krisen, den darauf folgenden Notverordnungen, dem Wirken der Harzburger Front, dem "Sozialfaschismsus" der SPD, den Protest gegen den Paragraphen 218 und natürlich bis zu linker Kulturkritik)  gefolgt von kritischen Kommentaren zu internen Entscheidungen der Leitung des Bauhauses und schließlich von ideologischer Agitation. Besonders aussagekräftig sind die Auseinandersetzungen um die zeitgenössische moderne Architektur, um die bildende Kunst, um die sozialen Probleme vieler Studierender.  

Die Bauwelt Fundamente Publikation „Linke Waffe Kunst“ und die im Oktober veröffentlichte Leseausgabe kommentieren und kontextualisieren die 15 Ausgaben. Wie ist die Zeitschrift heutzutage zu lesen? 

Wolfgang Thöner: Erst einmal ist die Zeitschrift der Kostufra für uns Heutige ein einmaliges Dokument zur Geschichte des Bauhauses von 1930 bis 1932, ohne sie wären manche Ereignisse nur unvollkommen oder gar nicht bekannt. Das erfolgt natürlich aus einer (kritisch zu beachtenden) besonderen Perspektive einer Gruppe engagierter Studierenden. Bezüge ergeben sich auch zu späteren Ereignissen, die Neugründung des Bauhaus Dessau 1986 erfolgte ganz bewusst mit Bezug auf die Kostufra (deren damals noch lebende ehemalige Angehörige bei dem Neustart zugegen waren), ansonsten machte die Bauhaus-Historiografie West wie Ost einen Bogen um eine wirkliche Auseinandersetzung. Viele Ausgaben lagen ungelesen in Archiven. Erstaunlich erscheint das mutige Engagement der Studierenden, ihre offene Kritik, was die Frage nach einer aktuellen Streitkultur vergleichbarer Institutionen stellt.      

Florian Strob: Sie stellt noch einmal neu die Frage, inwiefern Kunst, Architektur, Gestaltung, Formen überhaupt politisch sein können. Sind sie Medien der Verführbarkeit? Was beide Publikationen sicherlich deutlich machen, ist der Umstand, dass diese Bereiche von den anderen Bereichen des Lebens, dem Sozialen, Politischen, anderen Wissensfeldern nicht getrennt zu verstehen sind.