Die Bühne als kreativer Ort in der Architektur-Lehre

Um Parkhäuser in tänzerische Erlebnisorte zu verwandeln, trainierten Studierende aus Weimar nicht nur ihre Sinne und Entwurfstechniken, sondern sammelten auch Erfahrungen im gemeinsamen Planen und Bauen. Am Ende kamen drei temporäre Bühnen heraus.

Tanzen im Parkhaus? Das zu ermöglichen, war der Auftrag von Studierenden aus dem ersten Semester des Bachelor-Studiengangs Architektur der Bauhaus Universität Weimar. Unter dem Titel „UN/USUAL GROUNDS – szenenbilder für site specific projekte“ entwickelten sie Szenarien für Tanzaufführungen in der Parkgarage der Gießener Einkaufsgalerie „Neustädter“ und im Parkhaus „Hinter der Post“ in Weimar, von denen drei im darauffolgenden Semester realisiert wurden. Nach ihrer Einweihung in Gießen werden die demontierbaren Bühnen im Rahmen der Jahresausstellung der Bauhaus Universität am 14. und 15. Juli dem Weimarer Publikum präsentiert.

Räume mit allen Sinnen ergründen

Seit dem Jahr 2016 bieten Prof. Dipl.-Ing. Dipl.-Des. Bernd Rudolf und Dr. Luise Nerlich den Studierenden Aufgaben an, die Entwurfs-, Werkstatt- und Bewegungskurse miteinander verknüpfen. „Einen Ort kann man nur vor Ort wahrnehmen. Nimmt man Raum oder Architektur wahr, so sieht man sich den Ort nicht einfach nur an, sondern setzt sich mit ihm in Beziehung“, schreibt Luise Nerlich, die schon lange die Wechselwirkungen zwischen architektonischen Formen und Musik erforscht. Den eigenen Körper im Raum situieren, mit allen Sinnen wahrnehmen und achtsam zu sein, gehört an der Professur Bauformenlehre der Bauhaus Universität Weimar zur genauen Untersuchung lokaler Gegebenheiten im Vorfeld von Planungsprozessen.

Viele Bühnenerfahrungen

Bei der Planung der Bühnen mussten die baulichen Strukturen nicht nur entworfen, sondern auch die Prozesse und Logiken ihrer Umsetzung, ihres Gebrauchs und ihres Recyclings durchdacht werden. Anhaltspunkte bot ihnen dabei die Lehre der Professur, in der serielles Bauen, Montagefreundlichkeit, Rückbaubarkeit und Nachhaltigkeit vermittelt werden. Anhand solcher Projekte sammeln Studierende bereits seit vielen Jahren Erfahrungen mit kollektiven Planungs- und Bauprozessen und dem gewissenhaften Wirtschaften mit Materialien und Geld.

Von Gießen nach Weimar

Zunächst brachen die anfangs 22 Studierenden zu einer eintägigen Exkursion nach Gießen auf, um sich mit der Parkgarage und deren Besonderheiten vertraut zu machen. Dabei analysierten sie Gegenstände und Situationen und fertigten Zeichnungen und Fotos an, die ihre individuellen Beobachtungen festhielten. In der anschließenden Entwurfsphase entwickelten die Studierenden auf Grundlage ihrer Eindrücke und Analysen Strukturen, die offen für tänzerische Bewegung sind. Im Rahmen einer Ausstellung an der Bauhaus Universität Weimar wurden die Konzepte den Gastkritiker*innen Dr. Nadia Ismail, Leiterin der Kunsthalle Gießen, und Tarek Assam und Massimo Gerardi von der Tanzcompagnie Stadttheater Gießen präsentiert, die mit der Aufgabe betraut waren, drei Arbeiten für eine Realisierung im Maßstab 1:1 auszuwählen. Überzeugt haben die Entwürfe von Daniel Wandere und Jakob Flathmann, von Louisa Büchs und von Louise Harbaum.

Im April 2022 begann die zweite Arbeitsphase, in der die drei ausgewählten Bühnenkonzepte von 13 Studierenden weitergeführt, detailliert, den Gegebenheiten angepasst und dann als Prototypen in den Werkstätten der Universität realisiert wurden. Nachdem die drei weiterentwickelten Entwürfe im Mai 2022 in der Gießener Parkgarage zu sehen waren, werden die Bühnen im Juli auf dem Parkdeck des Parkhauses „Hinter der Post“ in Weimar ein zweites Mal aufgebaut und für eine Reihe weiterer Tanzaufführungen im Rahmen der Jahresausstellung der Bauhaus Universität „Summaery“ genutzt.

Termine zu Summaery 2022:

  • 14. Juli 2022, 16 Uhr
    Choreographie von Eva Girzalsky, Bauhaus Universität Weimar
  • 15. Juli 2022, 10 Uhr
    Choreographie von Eva Girzalsky, Bauhaus Universität Weimar
  • 15. Juli 2022, 14 Uhr
    UN/USUAL GROUNDS – Choreographie von Massimo Gerardi, Tanzcompagnie Stadttheater Gießen
  • 15. Juli 2022, 17 Uhr
    UN/USUAL GROUNDS – Choreographie von Massimo Gerardi, Tanzcompagnie Stadttheater Gießen