Datenspeichergebäude: Wolken in der Stadt

Katharina Neubauers Forschungsschwerpunkt sind Datenspeichergebäude. Im Gastbeitrag legt sie den Blick auf die räumlichen Auswirkungen und auf die Bedeutung dieser Bautypologie für Städte.

Datenspeichergebäude werden trotz ihrer Präsenzlosigkeit als eine der wichtigsten Bautypologien des 21. Jahrhunderts proklamiert. Begründet durch eine außergewöhnliche gesellschaftsrelevante Bedeutung: In den Gebäuden speichern wir einen immer größer werdenden Teil unserer Vergangenheit, unserer Gegenwart und unserer Zukunft.

Unsere digitale Lebensweise und ihre räumlichen Auswirkungen

Digitale Daten repräsentieren unsere Gesellschaft. Jegliches Handeln generiert heute Daten: Der Einkauf im Supermarkt – bezahlt mit der EC-Karte, die Joggingrunde – getrackt auf der Fitness App, das Kochrezept fürs Abendessen – gegoogelt. Diese Daten werden irgendwo gespeichert, meist in Datenspeichergebäuden. Diese Gebäude bilden dabei einen unverzichtbaren Teil unserer modernen Infrastruktur. Trotzdem ist relativ wenig über deren physischen Strukturen bekannt. In unserem räumlichen Vorstellungsvermögen existieren diese konkreten architektonischen Orte nicht. Die Metapher „Cloud“ lässt uns die physischen Ausmaße vergessen. Aber die ständig wachsende digitale Datenmasse hat gigantische bauliche Folgen, immer mehr und größere technisch-hochausgerüstete Gebäude müssen gebaut und die bereits bestehenden erweitert werden. Daten wachsen räumlich. Grundsätzlich beinhalten Datenspeichergebäude konzentrierte Ansammlungen von Servern und die zum Betrieb notwendige technische Infrastruktur. Dabei sind sie eine zu Form gewordene Kombination aus Technik, Energiezufuhr und Sicherheit, die in ihrer Dimension variieren und nach inneren Kräften unterschiedlich zusammengesetzt werden.

Datenspeichergebäude in der postindustriellen Zwischenstadt[1]

Aktuell gibt es in Deutschland rund 3.000 Datenspeichergebäude und es wird mit einem weiteren Anstieg gerechnet.[2] Gemessen an der Dichte der Bauten und an der Menge des Datendurchflusses ist Frankfurt a.M. der bedeutendste Standort innerhalb Deutschlands: Einerseits werden hier die weltweit wichtigsten Glasfaserkabel von DE-CIX, dem deutschen Internetknoten, miteinander verbunden, anderseits ist die räumliche Nähe zum Finanzmarkt bedeutend. Aber auch die Region Berlin-Brandenburg wird als Standort für die Cloud an Bedeutung zunehmen.[3] So wurde erst kürzlich bekannt gegeben, dass Google ein 30-Hektar großes Grundstück südlich von Berlin in Mittenwalde kauft, um dort ein „Mega-Rechenzentrum“ zu errichten.[4] Die Zwischenstadt bietet besondere Vorteile für die Ansiedlung von Datenspeichergebäuden, da für manche Betreiber räumliche Erweiterungsmöglichkeiten und günstige Grundstückspreise sowie eine gute Anbindung an das Stadtzentrum und zu guten Fachkräften wichtig sind. Die Standortwahl auf kommunaler Ebene wird in Stadtentwicklungsprogrammen und in der Bauleitplanung festgelegt, für die Ansiedlung an bestimmten Bauplätzen sind unternehmensinterne Entscheidungen ausschlaggebend.

Symbiotische Stadt und positive Effekte der Cloud

Die städtebauliche Lage kann Datenspeichergebäuden zu einem höheren gesellschaftlichen Stellenwert verhelfen. Für eine stärker wahrnehmbare räumliche Präsenz der Cloud ist der Dialog mit der Umgebung zwingend. Die Vertikalität des „Equinix AM4“ Gebäudes in Amsterdam beispielsweise rückt die Datenspeicherung in das Sichtfeld gesellschaftlicher Wahrnehmung. 

Innerstädtische Parkhäuser, Fabriken oder industrielle Produktionshallen zeichnen sich durch räumliche Flexibilität und hohe mögliche Nutzlast aus. Deswegen ist ihre Nachnutzung als Datenspeichergebäude besonders geeignet. Ein aktuelles Beispiel ist die Umnutzung des von Egon Eiermann entworfenen Hauptgebäudes für den Versandhändler „Neckermann“ in Frankfurt a.M. Hier wird das denkmalgeschützte Gebäude von der Waren- zur Daten-Logistik transformiert. Es soll sogar ein kleines, privates Internet-Museum mit Café integriert werden.[5] Ein konzeptueller Schlüssel im zukünftigen Umgang liegt unter anderem darin, ihnen eine öffentliche und sichtbare Ebene hinzuzufügen. Es braucht einen physischen Ort, an dem Besuchende verstehen, wo sich ihre Daten befinden.

Datenspeichergebäude als zukünftige Energiequellen

Einen wesentlichen Aspekt im zukünftigen und nachhaltigen Umgang mit Datenspeichergebäuden wird die Nutzung der erzeugten Abwärme einnehmen. Der Stromverbrauch von Datenspeichergebäuden in Deutschland entsprach im Jahr 2017 etwa dem der Stadt Berlin, wobei der Großteil davon in Wärme umgewandelt und bislang ungenutzt an die Umgebung abgegeben wird.[6] Dabei können Datenspeichergebäude selbst als Energiequelle für angrenzende Wohnquartiere, Schulen oder Schwimmbäder fungieren. Weitere mögliche Synergien entstehen auch durch hybride Nutzungen. Das zeigt das „Windcloud 4.0“-Datacenter in Nordfriesland, auf dessen Dach eine Algenfarm in Betrieb ist.

Innerhalb der Frage nach einer nachhaltigen Entwicklung sollten umso mehr neue Planungs- und Gestaltungsansätze in Richtung einer symbiotischen Stadt[7] diskutiert werden. Über die bisherige monofunktionale Betriebsfähigkeit hinaus entspricht das Potenzial der Datenspeichergebäude den Anforderungen einer produktiven, gemischten und selbstbestimmten Zwischenstadt.


[1] Vgl. Neubauer, Katharina [online] http://derarchitektbda.de/the-dark-side-of-the-cloud/ [23.11.2022].

[2] Die Anzahl bezieht sich auf Gebäude mit mehr als 40 kW IT-Anschlussleistung und mindestens 10 Server-Racks. Vgl. Bitkom. [online] https://www.bitkom.org/sites/main/files/2022-02/10.02.22-studie-rechenzentren.pdf [29.11.2022].

[3] Vgl. Ostler, Ulrike [online] https://www.datacenter-insider.de/datacenter-in-deutschland-mehr-daten-mehr-strom-a-1096004/ [27.11.2022].

[4] Vgl. Metzner, Thorsten [online] https://www.tagesspiegel.de/berlin/mega-rechenzentrum-soll-nach-mittenwalde-google-kauft-30-hektar-grundstuck-sudlich-von-berlin-8702329.html [29.11.2022].

[5] Vgl. Pfeiffer-Goldmann, Dennis [online] https://www.fnp.de/frankfurt/frankfurts-alte-neckermann-zentrale-hat-eine-digitale-zukunft-90946723.html [13.08.2022].

[6] Vgl. Hintemann, Ralph [online] https://ne-rz.de/wp content/uploads/2019/07/Whitepaper_Abwaermenutzung_2019.pdf [15.09.2019].

[7] Vgl. Sieverts, Thomas [online] https://www.cloud-cuckoo.net/openarchive/wolke/deu/Themen/992/Sieverts/sieverts.html [10.10.2022].