Architektur mit Augenzwinkern: Der überraschende Ansatz von menu surprise

Handgezeichnete Darstellungen, bunte Pläne, ein nicht ganz selbsterklärender Webauftritt und eine Arbeitskultur über Zoom. Die meisten ihrer Projekte sind in Süddeutschland, ihr Büro in Berlin verortet. menu surprise macht es anders.

Nur zwei Jahre nach ihrer Gründung gewann das Architekturkollektiv menu surprise als Teil einer ARGE einen bedeutenden Wettbewerb in München. Das Freimundo-Projekt wurde zum Sprungbrett für das Greenhorn-Team. Wie kam es dazu? Was geschah bis dahin? Wir wollten mehr über die unkonventionelle Arbeitsweise der sogenannten „menus“ erfahren. 

#StudioUnderConstruction wirft einen Blick auf Entstehungsgeschichten, Projekte und Philosophien von Architekturbüros, die ihre Gründung innerhalb der letzten fünf Jahre vollzogen haben  oder mittendrin stecken. Eine Reihe von und für Newcomer*innen.

Wendepunkt Freimundo

Offene Wettbewerbe sind in Deutschland rar gesät – und für junge Teams oft die einzige Chance auf größere Aufträge und Bekanntheit. 2024 kürte die Münchner Genossenschaft Kooperative Großstadt das Team aus menu surprise, wurzelsieben und OTTL.LA zum Sieger des europaweit ausgeschriebenen Wohnungsbauwettbewerbs „Freimundo – Klima Gerecht Leben“. Ihr Entwurf, der sich bei über 100 Einreichungen durchsetzte, übertrug die Idee des geheimnisvollen Wandschranks aus „Die Chroniken von Narnia“ in ein flexibles Wohnkonzept. Dieser poetische Ansatz spiegelt die Haltung und Arbeitsweise von menu surprise wider: Architektur, die überrascht, aber nie Selbstzweck ist.

Kollaboration und Ehrlichkeit als Grundstein

Trotz Ausklangs der Pandemie und einer verhaltenen Baubranche gründeten die drei Studienfreunde Jonas Hamberger, Jens Roll und Jonas Schergun im März 2022 das Kollektiv menu surprise. Besser gesagt, sie legten den Grundstein für ein Kollektiv, das die gemeinschaftliche und transparente Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten fördert. Hinter dem kryptischen Namen verbergen sich keine Identitäten, sondern das Architekturverständnis des Gründungstrios: Hauptsache humorvoll, überraschend, unkonventionell und persönlich. 

Die kollaborative Praxis von menu surpise wurzelt im Studium. Bereits im Bachelor an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt engagierten sich Jonas, Jonas und Jens – im Rahmen eines Vereins und darüber hinaus – für den semesterübergreifenden Austausch zwischen Architekturstudierenden. Jahre später half ihnen diese Kommunikationskultur, geografische Distanzen bei der Gründung zu überwinden: Weil sich die drei Absolventen nicht physisch an einem Ort aufhielten, bildete zunächst Zoom ihren Treffpunkt und Arbeitsraum. 

Programmatisch treu

Wohnbauten – dafür schlägt das Herz der menus. Vor ihrem Karrieredurchbruch mit Freimundo fokussierten sie sich auf kleine Wohnumbauten mit überschaubaren Budgets – meist Direktaufträge aus dem Bekanntenkreis. Ihr erstes Projekt als Kollektiv, der Umbau eines umgebauten Hauses in Allgäu, reflektiert ihr Arbeitscredo: Die drei Architekten spannen die Geschichte des Bestands in Form neuer Narrativen weiter. Dafür aktivierten sie die imposanten Kamine des Hauses zu Säulen der Transformation. Nicht eine scharf konturierte Vision, sondern das Prozesshafte stand im Mittelpunkt ihrer architektonischen Intervention. „Irgendwann wird hoffentlich wieder jemand kommen und es weiterentwickeln“, meinte Jonas.

Ihre Arbeitsweise beruht auf Wertschätzung, Vertrauen und Ehrlichkeit. Bevor sie ein Projekt beginnen, testen sie Kompatibilitäten: Über eine (bezahlte) Eingangsstudie werden sie mit der Aufgabe, dem Bestand und den zukünftigen Ansprechpartner*innen vertraut. Dazu verbringen sie oft zwei, drei Tage vor Ort und erkunden ihn gründlich. Nach dieser Aufklärungsphase geht es erst weiter mit der Planung, wenn alle Beteiligten von der Zusammenarbeit überzeugt sind. Mit jedem Auftrag verfestigt sich eine langfristige Beziehung. „Es wäre ein Traum, wenn man nur so arbeiten könnte“, schwärmte Jonas, räumte aber ein, dass diese Methode auf Dauer unwirtschaftlich ist.

Einzigartige Arbeitskultur

Mit dem Freimundo-Auftrag verschwanden erstmals die Existenzängste der Planenden. Bis dahin war die Selbstständigkeit von Unsicherheiten geprägt. Um finanzielle Schwankungen abzufedern, bauten die menus von Anfang an ein eigenes Sicherheitssystem auf: Lehrtätigkeiten, Ersparnisse, staatliche Förderungen und Rücklagen flossen in einen gemeinsamen Topf, aus dem alle drei leben konnten.

Dieses Commitment erfordert eine gesunde Kommunikation. Regelmäßige Coachings helfen dem Team, Stärken, Schwächen und Kompetenzen zu reflektieren. Alle sechs Monate organisieren sie „Future Talks“, um untereinander persönliche und berufliche Ziele offen zu besprechen. Ihre Vision ist klar: menu surprise soll als extrovertiertes Team organisch weiterwachsen und Raum für kollaborative Projekte schaffen. „New architectural practice, where special dishes will satisfy your wishes“ – so beschreibt sich das Team auf seiner Website. Spielerisch, aber nicht beliebig. Unkonventionell, aber professionell. Und vor allem: eine ernstzunehmende Stimme in der jungen Architekturszene.