Was ist Solidarität? Das Projekt „Transforming Solidarities“

Beteiligte von vier Berliner Universitäten untersuchten in einem interdisziplinären Forschungsprojekt, wie in Berlin räumlich Solidarität stattfindet. Eine Ausstellung mit integrierter Konferenz begleitet das Projekt.

In unseren krisengeschüttelten Zeiten wächst das Bedürfnis, gesellschaftlich enger zusammenzurücken und füreinander einzustehen. In dem dreijährigen Forschungsprojekt „Transforming Solidarities. Praktiken und Infrastrukturen in der Migrationsgesellschaft“ untersuchten insgesamt 22 Forschende der Technischen Universität Berlin (TU Berlin), der Humboldt Universität zu Berlin (HU Berlin), der Freien Universität Berlin (FU Berlin) sowie der Charité Universitätsmedizin das Thema Solidarität in der Hauptstadt. Gefördert hat das Vorhaben die Berlin University Alliance. Dabei kamen die Beteiligten aus unterschiedlichen Disziplinen – beispielsweise aus der Architektur und Stadtplanung, aus der Philosophie oder aber aus dem medizinischen Sektor.  Die Gruppe untersuchte in den drei Bereichen Arbeit, Wohnen und Gesundheit, wie Solidarität(en) politisch, sozial und materiell verhandelt und praktiziert werden. Wie das unter den Bedingungen von Migration, Digitalisierung und dem Niederschlag von globalen Entwicklungen im Lokalen geschieht, wollten die Forschenden durch einen kollektiven Ansatz, der vielfältige Wissensformen inkludiert, herausfinden. Sowohl migrantische, postkoloniale, queere und feministische Perspektiven als auch der Austausch mit nichtakademischem Akteur*innen fanden Eingang in das Projekt. Die Stadt Berlin haben die Beteiligten hierbei als Reallaboratorium für das Aushandeln, Entstehen, aber auch das Verhindern von solidarischem Handeln begriffen.

Auf die Straße, auf die Map

Neben der Forschung fand das Projekt in Form von verschiedenen Lehrveranstaltungen an den Universitäten statt. An der TU Berlin unterstützten Studierende aus Architektur, Urbanismus und Genderstudies das Projekt über einen Zeitraum von zwei Jahren anhand individueller Methoden. Beginnend im Wintersemester 2021 untersuchten Studierende am Fachgebiet Habitat Unit unter der Leitung von Moritz Ahlert und Anna Steigemann mithilfe von analytischen Mappings und Interviews ausgewählte Initiativen, die solidarische Praktiken ausüben. Ein Beispiel ist ein Wohnhaus in der Habersaathstraße in Berlin-Mitte, in dem Altmieter*innen, Geflüchtete und ehemals wohnungslose Menschen aufeinandertreffen. Dort setzt sich eine Nachbarschaftsorganisation für ein solidarisches Miteinander der unterschiedlichen Bewohner*innengruppen ein. 

Wie zeigt sich Solidarität räumlich?

Mit regelmäßigen Inputs aus anderen am Forschungsprojekt beteiligten Wissenschaften gefüttert, gingen die Teilnehmenden den räumlichen Aspekten von Solidarität auf den Grund. Am Ende entwarfen die Studierenden aus dem generierten Wissen heraus und teilweise in enger Zusammenarbeit mit den Initiativen Interventionen für die untersuchten Orte. Der Designprozess war ergebnisoffen und die Bandbreite der entstandenen Projekte reichte von Happenings vor Ort über architektonische Eingriffe hin zu flexiblen Möbelstücken.

Mobiler Wissensgenerator

Im Sommer 2023 reiste der KIOSK OF SOLIDARITY“ durch Berlin – an unterschiedlichen Standorten nutzten 11 Berliner Initiativen diese bauliche Intervention jeweils für einige Tage, um ihre solidarische Praxis im urbanen Raum sicht- und begreifbar zu machen. Nicht zuletzt sollten so die Nachbarschaft und Mitstreitende sowie Passant*innen zusammenkommen und gemeinsam über Solidarität reflektieren, aber auch ungezwungen miteinander ins Gespräch kommen. Gleichzeitig fungierte der Kiosk als mobiler und kontinuierlich wachsender Wissensspeicher. Sukzessive schmückten mehr Plakate, Fragen und Slogans aus abgehaltenen Aktionen und Veranstaltungen Dach und Wände. Die urbane Intervention ist eine Kooperation von „Transforming Solidarities“ und dem Kollektiv ConstructLab. Die einzelnen Stationen haben abermals Studierende der TU Berlin im Rahmen eines Seminars begleitet.

Ausstellung und Konferenz

Vom 05. Oktober 2023 bis zum 21. Januar 2024 sind die zusammengetragenen Ergebnisse und Erkenntnisse im Deutschen Architekturzentrum (DAZ) in Berlin in der Ausstellung „SPACES OF SOLIDARITY“ zu sehen. Im Zentrum der Schau steht der „KIOSK OF SOLIDARITY“, der sein im Sommer gesammeltes Wissen nun im Kontext der Ausstellung und des gesamten Forschungsprojektes preisgibt. Vom 09. Oktober bis zum 11. Oktober 2023 findet außerdem begleitend die internationale Konferenz „SOLIDARITÄT IN DER MIGRATIONSGESELLSCHAFT“ an der TU Berlin sowie im DAZ statt. Dort können sich im Rahmen eines umfangreichen Programms – bestehend aus diversen Panel-Diskussionen und Keynote-Vorträgen – die Teilnehmer*innen über Solidarität, ihre Entstehung, aber auch über die Komplikationen, die einer solidarischen Gesellschaft im Wege stehen, austauschen.