Materialkreis(lauf): Der Pavillon „Material Circle“
Studierende haben mithilfe digitaler Werkzeuge einen Pavillon aus wiederverwerteten Materialien gebaut, der auf die notwendige Bauwende hinweisen soll.
Die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen wie Holz kann zur Entstehung einer Bauindustrie, die innerhalb der planetaren Grenzen agiert, beitragen. Dennoch setzt die Produktion von Baumaterialien aus neu gewonnenen Rohstoffen bereits belastete Ökosysteme unter immensen Druck. Allerdings existiert eine weitere Ressource mit großem Potenzial: Bauabfall. Über 55 Prozent des Abfallaufkommens in Deutschland setzt sich aus Bauschutt zusammen. Um ein Zeichen für eine nachhaltige Architekturpraxis zu setzen, haben Studierende der Universität der Künste Berlin (UdK Berlin) einen Pavillon aus geretteten Materialien gebaut. Das Projekt entstand im Rahmen des Entwurfsstudios „Material Cycles“ unter der Leitung von Prof. Giovanni Betti am Fachgebiet für Digitales und Experimentelles Entwerfen.
Digitaler Katalog
Was für gewöhnlich als wertloser Abfall angesehen wird, betrachtete das Studio als kostbare Ressource. Das Fachgebiet kollaborierte mit einem Berliner Abrissunternehmen, das Bauabfälle spendete. Darüber hinaus wurden die Studierenden ermutigt, Material, das sie in ihrer unmittelbaren Umgebung finden konnten, beizusteuern.
Die Idee der Zirkularität sieht sich jedoch mit der Herausforderung konfrontiert, die unüberschaubare Menge anfallender Bauabfälle zu sortieren, zu katalogisieren und ein System für die Wiederverwendung zu entwickeln. Aus diesem Grund erfassten die Studierenden die zur Verfügung stehenden Materialien mit digitalen Methoden wie 3D-Scans oder Fotografie. Der so entstandene Materialkatalog diente als Grundlage für den nachfolgenden Entwurf. In einem zweiten Schritt erforschte das Studio mögliche Fügungsprinzipien der Materialien. Der Fokus lag dabei auf reversiblen Verbindungen, sodass die existierenden Materialien einerseits möglichst wenig verändert werden mussten und sie andererseits auch in Zukunft leicht wiederverwendet werden können.
Form follows material
Im Entwurfsprozess wichen die Studierenden vom „form follows function“ Prinzip der klassischen Moderne ab. Anstatt aus einem vorgegebenen Raumprogramm eine architektonische Form zu entwickeln, für deren Umsetzung die benötigten Materialien besorgt werden, drehten sie den Prozess um. Verfügbare Materialien bedingten Struktur, Dimensionen und Funktion. Architekturschaffende dürfen laut Fachgebiet nicht mehr von einem Überfluss an Material ausgehen, mit dem sie jegliche Form erschaffen können. Vielmehr wird Materialknappheit zukünftige Entwürfe bestimmen. Mit dem Pavillon „Material Circle“ zeigten die Studierenden, welche gestalterischen Möglichkeiten diese Einschränkung birgt. Anlässlich des Rundgangs der UdK Berlin wurde er am 21. Juli 2023 im Innenhof der Hardenbergstraße 33 eröffnet.