Lehmbau mit Holzkrone und Reetmantel: „HORST Anthill Pavilion“

Für das Horst Arts and Music Festival im belgischen Vilvoorde hat die Juniorprofessur „act of building“ der RWTH Aachen gemeinsam mit der Künstlerin Afrah Shafiq und dem Architekten Jeremy Waterfield einen Pavillon aus Lehm, Holz und Reet realisiert.

Seit nunmehr zehn Jahren findet in Belgien das Festival „Horst“ statt – die ersten fünf Jahre in dem gleichnamigen Schloss in Holsbeek und seit 2019 im Asiat Park in Vilvoorde. Für die diesjährige Iteration des dreitägigen Musik-, Kunst- und Architekturfestivals haben 45 Studierende der RWTH Aachen innerhalb von zwei Wochen den „Horst Anthill Pavilion“ errichtet, der die Kombination verschiedener innovativer und nachhaltiger Baupraktiken veranschaulichen soll. Das Projekt ist eine Zusammenarbeit der Juniorprofessur „act of building“ von Brussels Cooperation (BC) an der RWTH Aachen, der Künstlerin Afrah Shafiq und des Architekten Jeremy Waterfield.


Behausung für ein Videospiel

Das Festival hat die multidisziplinäre Künstlerin Afrah Shafiq angefragt, eine Version ihrer Arbeit „Where the Ants Go“ – ein interaktives Videospiel – als eine Outdoor-Installation auszustellen. Als eine Behausung für die künstlerische Arbeit hermusste, kam der Materialhersteller und Ableger von Brussels Cooperation BC Materials ins Spiel. Die Bauaufgabe: ein Pavillon aus sogenannten „Léém“-Blöcken, einem Werkstoff, der aus Erdaushub hergestellt wird und dadurch aus Lehm, Schluff, Sand und Kies besteht. Entworfen wurde der Pavillon von Jeremy Waterfield in Kooperation mit der Künstlerin. Vor Ort bauten ihn Studierende der RWTH Aachen und das Team der Juniorprofessur. Die Realisierung erfolgte im Rahmen eines zweiwöchigen Workshops.


Lehmbasis mit hölzerner Krone

Die Basis des kompakten Bauwerks bildet eine Konstruktion aus entsprechenden Erdhaushub-Blöcken. Die Studierenden waren dazu angehalten, die Wände so zu mauern, dass eine möglichst hohe Stabilität bei möglichst geringem Materialeinsatz erzielt wird. Eine Co-Finanzierung des Pavillons durch das VLAIO Living Lab Earth Blocks ermöglichte eine Unterstützung vor Ort durch Expert*innen, die zum einen die möglichen Mauerwerkstechniken mit Lehmsteinen untersuchten und zum anderen den Studierenden Mauerwerksgrundlagen vermittelten. Eine vorgefertigte Holzstruktur, die das Lehmmauerwerk bekrönt, und eine Gebäudehülle aus Reet sollen die Mauersteine vor Niederschlag schützen. Unter der Anleitung des Handwerkers Dennis Raggers modifizierten die Studierenden traditionelle Verkleidungsmethoden, um sie an das Projekt anzupassen. In zehn Tagen bauten sie acht 3,00m x 6,00m große Elemente, mit denen sie die Fassade des Pavillons verkleideten.


Etwas Altes, etwas Neues, etwas Gebrauchtes

Für die Rahmenstruktur der Fassadenelemente wurde eine Kombination aus neuen und gebrauchten Bauteilen verwendet. Zum Einsatz kamen unter anderem 60 Jahre alte Deckenbalken, die das Team von einem rückgebauten Gebäude in Brüssel bezog. Die altersbedingte Verformung der Balken erlaubte jedoch ihre Verwendung ausschließlich für Elemente, die weniger Präzision bedurften. Überall dort, wo millimetergenaue Arbeit gefragt war, benutzten sie neues Holz. Für das Dach verbauten sie Polycarbonatplatten, die sie vor Ort auf dem Baugrundstück gefunden und mit wenigen Handgriffen an die Anforderungen des Objekts angepasst haben. Der Pavillon ist demnach das Ergebnis eines spielerischen, nicht restriktiver Gestaltungsansatzes, der innovative Materialforschung mit traditionellen Techniken und spontanen Interventionen vereint.