Lehm plus Stroh gleich Stein: Forschungsprojekt zu extrudierten Lehmsteinen
Schon mal was von Wellerlehm gehört? Assoc. Prof. Tavs Jorgensen kombiniert alt bewährte Materialien mit Fertigungsmethoden, die eigentlich für andere Baustoffe zum Einsatz kommen.
Wer als Kind gerne mit Knete spielte, erinnert sich bestimmt an dieses Gerät, das die bunte Masse in verschiedene Formen presste. Ähnlich funktioniert das Verfahren, an dem Tavs Jorgensen, Associate Professor am Centre for Print Research (CFPR) an der University of the West of England (UWE Bristol), forscht. Statt Knete kommt jedoch ein Lehm-Verbundstoff zum Einsatz, der mithilfe eines Extruders zu Steinen geformt wird. Das Forschungsprojekt lief von Oktober 2021 bis April 2024 und wurde vom Arts and Humanities Research Council (AHRC) über ein Leadership Fellow Award gefördert.
Wellerlehm wiederentdeckt
Bei dem Material, das Tavs Jorgensen für seine Lehmsteine verwendet, handelt es sich um einen Baustoff mit einer jahrtausendealten Tradition. Das Stroh-Lehm-Gemisch – auch Wellerlehm genannt – war vielerorts verbreitet, ehe es im 20. Jahrhundert durch das Aufkommen neuer industrieller Materialien fast vollständig verschwand. Anders als bei Stampflehmwänden benötigt der Lehmwellerbau keine Schalung. Die Wand wird frei aufgeschichtet und nachträglich mit einem Spaten in Form gebracht. Durch den Strohanteil sind Lehmwellerwände bis zu einer Höhe von 90 Zentimetern auch ohne Schalung in feuchtem Zustand formstabil. Der Faseranteil erschwert jedoch die Verarbeitung mittels eines Extruders, da Strohpartikel die Maschine verstopfen können – eine Herausforderung, der sich Tavs Jorgensen stellen musste. Er experimentierte mit verschiedenen Mischverhältnissen, bia er eine geeignete Konsistenz erhielt, die sich mithilfe eines Extruders verarbeiten ließ.
Ein ausgeborgtes Verfahren
Das Extrusionsverfahren dient vornehmlich zur Herstellung gebrannter keramischer Elemente wie Fliesen oder Ziegel. Experimentelle Ansätze wie das Projekt „Pressed Motion“ von Martina Häusermann zeigen das kreative Potenzial dieser Technik, bei der eine plastisch verformbare Masse wie Ton aus einer formgebenden Öffnung gepresst wird. Für den Verbundstoff aus Stroh und Lehm wurde das Verfahren bisher kaum erforscht. Dies liegt zum einen an der faserigen Konsistenz des Materials, zum anderen an der Tatsache, dass Extruder kostspielig sind. Jorgensen baute auf den Forschungsergebnissen des Projektteams „CobBauge“ an der University of Plymouth auf, das Rezepturen für ein Kompositmaterial entwickelte, die den aktuellen Bauvorschriften entsprechen. Diese Rezepturen passte er für den Extruder an und entwickelte spezielle Extrusionsmatrizen für das Stroh-Lehm-Gemisch.
Stapelbare Lehmsteine
Entstanden ist ein Fertigungssystem, das eine kostensgünstige und schnelle Verarbeitung von Wellerlehm zu Blöcken ermöglicht. Die Lehmsteine, die sich mithilfe der Matrizen pressen lassen, sind nicht quaderförmig, sondern so geformt, dass sie sich stapeln lassen. Das Material zeichnet sich durch seine, das Wohnumfeld betreffende, gesunde Eigenschaften und seine geringen Auswirkungen auf die Umwelt aus. Die neue Verarbeitungstechnik soll die günstige, schnelle und klimafreundliche Implementierung des Materials in die heutige Baubranche vorantreiben.