Learning by living: Das immersive „Master in Advanced Ecological Buildings and Biocities“ in Barcelona

In den Valldaura Labs, dem abgelegenen Campus des IAAC, arbeiten Studierende, Forschende und Lehrende an der Schnittstelle von Ökologie, Technologie und Gestaltung, um neue Paradigmen für das Zeitalter des Anthropozäns zu entwickeln.

Was nach einem Urlaubsort unweit der mediterranen Küste aussehen mag, ist ein Forschungszentrum für ökologische Architektur: Gegründet von Prof. Vicente Guallart bilden die Valldaura Labs einen Satelliten des Institute for Advanced Architecture of Catalonia (IAAC) und legen den Schwerpunkt auf die Untersuchung selbstversorgender Habitate. Epizentrum des Campus ist die „Masia“ – ein renoviertes Landhaus umgeben von 135 ha Waldfläche des Collserola Naturparks – wo der Master in Advanced Ecological Buildings and Biocities seit 2018 jedes Jahr eine neue Gruppe motivierter Studierenden begrüßtDas außergewöhnliche Programm bietet ein immersives Erlebnis auf der Suche nach innovativen, architektonisch-ökologischen Leitbildern. 

Studieren, forschen, wohnen und bauen am gleichen Ort

Eingebettet in die idyllische Hügellandschaft und abgeschirmt von den Ablenkungen der Großstadt fungiert die „Masia“ gleichzeitig als Unterkunft, Labor, Speisesaal, Experimentierfeld und Aula. Eine überschaubare Gruppe an internationalen Studierenden - das Masterprogramm zählt 24 Teilnehmende im 2022/23 – widmet sich dort mit nahezu exklusivem Engagement ökologischen, technologischen und gestalterischen Ansätzen, die sich positiv auf den Klimawandel auswirken. Dem Prinzip „learning by living“ folgend, baut das Programm auf dem engen Austausch und der intensiven Zusammenarbeit der Studierenden untereinander sowie mit dem akademischen Team und den externen Expert*innen auf. Die Trennung zwischen Lehrenden und Lernenden ist unscharf gezeichnet, womit der Prozess für alle Beteiligten bereichernd wirken kann.

Der englischsprachige Master zieht Interessent*innen weltweit an. Die demografische Vielfalt der Teilnehmenden trägt zur Themenvielfalt und zur informellen Wissensakkumulation bei. Jede*r kann sich forschend in die eigenen Interessensfelder vertiefen. Obwohl der Schwerpunkt auf der Erforschung von Bautechniken mit Massivholz liegt, wird parallel auch mit 3D-gedrucktem Lehm oder mit Algen experimentiert. Die beträchtliche Waldfläche des Campus bietet die ideale Voraussetzung für das Testen der Zusammenhänge zwischen natürlichen und vom Mensch gebauten Systemen.

Installationen im Wald

Das Abschlussprojekt des Masterprogramms ist ein funktionsfähiger Prototyp von rund 20 Quadratmeter Grundfläche, der als temporäre Installation mit einer eingeschätzten Lebensdauer von fünf bis zehn Jahren konzipiert und auf dem Grundstück gebaut wird. An diesem Projekt arbeitet die gesamte Gruppe vom Konzept bis zur Umsetzung zusammen. Trotz des überschaubaren Maßstabs ist die Komplexität der Aufgabe nicht zu unterschätzen: Die Studierenden werden herausgefordert, alle „metabolischen Ebenen“ des Baus – Wasser, Abfall, Energieversorgung usw. – in die Konstruktion zu integrieren und den gesamten Lebenszyklus zu berücksichtigen. Sie überblicken dabei den gesamten Wertschöpfungsprozess der Baumaterialien – von der Waldbewirtschaftung über  Bau und Abriss der Prototypen bis hin zur Wiederverwertung der Bauteile.

Von Klein auf Groß übertragen – Ein skalierbares Modell?

Die gebauten Installationen dienen zum Erforschen und Überprüfen neuer Technologien und Lösungen, die skaliert in größerem Maßstab eingesetzt werden können. So optimierte das IAAC-Team im Prototyp des Solargewächshauses aus dem Jahr 2021/22 die verteilte Anordnung von Solarzellen, die ausreichend Lichteinfall für die Pflanzen zulässt und gleichzeitig ausreichend Energie produziert, um den Strom, die Beleuchtung und die Bewässerungssysteme zu steuern. Die Installation – als mobiles Gestell gedacht – hat das Team in zwei Wochen errichtet. Die dort angesäten Pflanzen wachsen anschließend in den Gärten der „Masia“ weiter. Da sich die Technologie im kleinen Maßstab bewährt hat, wird sie nun bei größeren Bauvorhaben eingesetzt: Dasselbe System wird demnächst auf einen Sozialwohnungsbau in Holzbauweise übertragen und skaliert. 

Autark und doch stark vernetzt

Der immersive Charakter des Programms verleiht dem Master Attraktivität und überzeugt zahlreiche Professor*innen über die Grenzen Barcelonas hinaus, sich auf die Erfahrung einzulassen. So wird die „Masia“ zum Leuchtturm für innovative Gespräche, die sich einer immer breiteren Resonanz erfreuen. Im nächsten Schritt möchten die Organisator*innen des Programms eine stärkere Einbettung der am Campus erbauten Installationen in den urbanen Raum erzielen. Unlängst wurde ein im Masterprogramm entwickeltes Möbelsystem an zwei Standorten in Barcelona – einer Schule und entlang der wichtigen Verkehrsachse Gran Vía – aufgebaut. Finanziert wurde das Projekt von der Europäischen Stiftung für Innovation und Technologie und dem Europäischen Bauhaus-Programm.