Kunst, Berge und Genossenschaften: Wie Studio Palermo Persönliches mit Profession verbindet
Sanierung von alten Skiliften, künstlerische Küchen und gerechtes Wohnen: Die Arbeit von Studio Palermo zeigt, wie aus dem Balanceakt zwischen Familie und Selbstständigkeit persönliche Freiheit entstehen kann.

2023 gründeten Kora Balmer und Cédric Odermatt, ein Architektenpaar aus Basel, ihr Büro Studio Palermo. Ihre Heimat und Hauptwirkungsfeld: die Schweiz. Nach jahrelanger Mitarbeit in verschiedenen Architekturbüros wagten sie den Schritt in die Selbstständigkeit – eng verknüpft mit ihrer Familienplanung und dem Wunsch nach mehr Selbstbestimmung. Ihre Projekte reichen von sensiblen Eingriffen im Bestand, besonders im alpinen Raum, bis zum genossenschaftlichen Wohnungsbau.
#StudioUnderConstruction wirft einen Blick auf Entstehungsgeschichten, Projekte und Philosophien von Architekturbüros, die ihre Gründung innerhalb der letzten fünf Jahre vollzogen haben – oder mittendrin stecken. Eine Reihe von und für Newcomer*innen.
Gründung für Gleichberechtigung
Kora und Cédric studierten an der FHNW Basel und der Hochschule Luzern, bevor sie sich an der HafenCity Universität in Hamburg trafen. Nach dem Abschluss arbeiteten sie in unterschiedlichen Architekturbüros in leitenden Position, Cédric agierte sogar in der Denkmalpflege der Stadt Basel. Der Wunsch, gemeinsam selbstständig zu arbeiten, entstand erst nach der Geburt ihres zweiten Kindes. Sie zogen sich für eine Auszeit nach Sizilien – das erklärt den Namen! – zurück und erkannten, dass sie ihr berufliches und privates Leben selbst bestimmen wollten. Sie bemerkten, dass besonders Frauen zwischen 30 und 40 Jahren die Branche nicht wegen mangelnder Fähigkeiten, sondern wegen familiärer Verpflichtungen verlassen. Das kam für sie nicht in Frage – sie wollten selbst ein Modell schaffen, das Familie und Beruf vereint und die Arbeit gleichberechtigt aufteilt.

Alpin und artsy
Ihre Arbeitskultur und Projekte sind persönlich geprägt. Cédric, in den Bergen aufgewachsen, hat eine besondere Verbindung zur alpinen Umgebung. Beim Wettbewerb für ein Schulhaus in Zuoz erprobten sie erstmals ihre Zusammenarbeit. Zwar gewannen sie nicht, erkannten aber ihre Arbeitskompatibilität.
Gerade im alpinen Raum besteht die Chance, mit Architektur einen Beitrag zum sanften und umweltverträglichen Tourismus zu leisten. Eins ihrer aktuellen Projekte ist die Sanierung eines Skiliftgebäudes von 1967. Sie versetzen Fenster, dämmen die Fassade, kleiden sie mit Lärchenholz ein und bauen eine Photovoltaik-Anlage auf. In einem Wald auf 1.500 Metern Höhe entwarfen sie ein autarkes Wohnatelier aus heimischem Lärchenholz. Es steht auf Schraubfundamenten, um die Landschaft so wenig wie möglich zu beeinträchtigen.
Kora und Cédrics persönliches Interesse an Kunst prägt ihre Konzepte. Ein Beispiel dafür ist der Umbau einer Küche, bei dem sie Bildmaterial von Künstlern wie Jeff Wall als Inspiration nutzten.

Sozialgerecht Wohnen
Neben kleinen Projekten arbeiten die beiden Architekt*innen auch an Entwürfen im sozialen Wohnungsbau – wie bei einem Ende letzten Jahres entschiedenen Wettbewerb für einen Genossenschaftsbau in Birsfelden. Studio Palermo entwarf ein fünfgeschossiges Gebäude, das auf die Bedürfnisse von Familien unterschiedlicher Konstellationen ausgerichtet ist. Im Fokus stehen 3- bis 5-Zimmerwohnungen, ergänzt durch Gemeinschafts- und Nebenräume – in kostengünstiger, ökologischer Holzbauweise. Um Projekte dieser Größenordnung zu realisieren, arbeitet Studio Palermo mit anderen Büros und Expert*innen zusammen. Durch solche Partnerschaften können sie flexibel auf das Arbeitsaufkommen reagieren und müssen keine Mitarbeitende anstellen.

Diese Haltung spiegelt sich auch im eigenen Leben wider. Das Paar lebt selbst in einer Genossenschaft und engagiert sich für bezahlbaren Wohnraum. „Es geht nicht nur um Architektur, sondern um die Förderung sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit“, so Kora. Die Gründungsgeschichte von Studio Palermo zeigt beispielhaft, wie Haltung und Lebensumstände die Grundlage für die Schaffung eigener Arbeitskulturen und das Aufbrechen von Zwängen sein können – und wie wichtig eine solche Auszeit in Italien manchmal ist.