Forschung im Freilandmuseum: Das Lernhaus Neusath-Perschen

Zwischen Tradition und Erneuerung: Im Rahmen einer Forschungsarbeit entsteht im historischen Freilandmuseum Oberpfalz ein Neubau aus lokalem Holz für museale Vermittlungsarbeit und angewandte Architekturlehre.

Aufgrund schwieriger räumlicher Bedingungen, hohem Platzbedarf und dem damaligen Verlust eines historischen Bauernhauses hat das Freilandmuseum Oberpfalz ein zeitgenössisches Bauprojekt in die Wege geleitet: das Lernhaus Neusath-Perschen. Der Holzständerbau wurde im Rahmen einer Forschungsarbeit an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) unter der Leitung von Juniorprofessor Max Otto Zitzelsberger zum Thema Tektonik im Holzbau geplant und 2023 umgesetzt. Wichtig war es, ein Gegenprojekt zu manchen Prestigebauten deutscher Freilandmuseen herzustellen, denn das neue Gebäude sollte nicht nur funktional sein und sich harmonisch in den historischen Bestand des Museumsgeländes einfügen, sondern auch hohen ökologischen Ansprüchen gerecht werden. Hierbei spielten regionale Materialkreisläufe, Materialreduktion, Energieeinsparung und die Entwicklung eines alternativen Baumanagements eine zentrale Rolle. Das Projekt finanziert sich ausschließlich durch Spenden und dient als Workshopraum und Forschungsobjekt des Museums sowie als Seminarraum für die Architekturlehre.

Hoher Bedarf an neuem, qualitativem Lernraum

Das neue Gebäude ergänzt einen ehemaligen Vierseithof auf dem Gelände, dessen Hauptgebäude im Jahre Anfang der 1980er-Jahre einem Brand zum Opfer fiel. Ursprünglich setzte er sich aus ländlichen Bauten des 18. Jahrhunderts zusammen – Gespräche um eine mögliche Rekonstruktion fanden statt, woraufhin sich jedoch schließlich darauf geeinigt wurde, dass das Ensemble mit zeitgemäßer Architektur vervollständigt werden soll.

Für die museumspädagogische Arbeit benötigt das Freilandmuseum Oberpfalz dringend neue Räume. Derzeit steht für die Vermittlungsarbeit nur ein Raum im Obergeschoss des „Denkenbauernhofs“ zur Verfügung, der jedoch aufgrund seiner historischen Bausubstanz nicht mehr den zeitgemäßen Anforderungen entspricht. Die erschwerte Zugänglichkeit, mangelnde Belichtung, niedrige Deckenhöhe und fehlende Heizung sind dabei problematisch. Zusätzlich wird ein separater Raum für Differenzierung, ein Lagerraum für Materialien und Werkzeuge sowie eine Lehrküche benötigt. Bisher musste die Küche eines anderen historischen Wohnstallhauses für Workshops genutzt werden, was zu logistischem Aufwand und Spannungen mit der musealen Konservierung führte. Die Einhaltung von Hygiene- und Arbeitssicherheitsvorschriften in den historischen Küchen gestaltet sich zudem schwierig.

Klarer Holzbau mit komplexem Konzept

Der Neubau zeigt sich als einfacher Hauptbaukörper aus Holz, mit klarer Organisation für die Nutzung als Seminargebäude für Umweltbildung. Ziel der konzeptionellen Idee war es, die Komplexität des historischen Kontexts widerzuspiegeln, ohne diesen zu imitieren. So orientiert sich der neue Bau anstelle des abgebrannten historischen Bauernhauses zwar an dessen Form, verfremdet sie jedoch an entscheidenden Stellen. 

Das nicht mehr existente historische Wohnhaus des Vierseithofs entwickelte und veränderte sich über Generationen hinweg und wurde aus massivem Stein und Ziegeln erbaut. Beim neuen Lernhaus handelt es sich hingegen um einen einfachen Holzrahmenbau, der aus den Ressourcen des nahegelegenen Waldes gefertigt ist. Das Holz wurde im Winter gefällt, vor Ort mit einer mobilen Säge geschnitten und ein Jahr lang schonend getrocknet. Zudem ist das neue Gebäude aufgeständert, um Leichtigkeit zu vermitteln und Material zu sparen. Denn durch die dadurch wenig benötigten betonierten Fundamenthälse, ließ sich schließlich auch die Menge an Beton auf ein Minimum begrenzen. Insgesamt wurden die Ressourcen so sparsam wie möglich eingesetzt. So konnten beispielsweise aufgrund der überdurchschnittlich hohen Holz-Qualität die Querschnitte der tragenden Kanthölzer deutlich reduziert werden.

Temporäre Veränderungen

Ressourcenschonung hängt aber nicht nur mit dem einzusetzendem Material, sondern auch mit dem Management der Baustelle zusammen: Für das Projekt legte man absichtlich keinen Zeitplan für die Fertigstellung fest. Gebaut wurde immer dann, wenn Material und Kapazitäten verfügbar waren.

Da die strukturellen Elemente des Gebäudes während der Winterzeit der Witterung ausgesetzt sind, haben die Planenden den Schutz des Gebäudes durch eine teilweise Abdeckung an den notwendigen Stellen vorgesehen. Dies führte dazu, dass das Gebäude eine ungewöhnliche, in Teilen „zersplitterte“ Ästhetik erhielt, ähnlich einer „Collage“ von Formen und Funktionen. So passt es sich zudem dem parallelen Umstand an, dass auch die historischen Gebäude im Museum während der Wintermonate partiell „verhüllt“ werden.

Integration in die Lehre

Am Lehrstuhl für Tektonik im Holzbau ist es Max Otto Zitzelsberger wichtig, kleinmaßstäbliche Architekturaufgaben ökologisch zu lösen und die Forschung in das Architekturstudium zu integrieren. Das entstandene Forschungsprojekt dient daher auch für die Lehre am Fachgebiet als angewandter Raum für Workshops und Seminare. Praktische Erfahrungen auf der Baustelle sind eine wichtige Ergänzung zur theoretischen Baukonstruktionslehre, die oft sehr abstrakt ist. Zusätzlich können die Teilnehmenden im Rahmen von Bau-Workshops Soft Skills erlernen. Dazu zählen Fähigkeiten wie kritisches Denken, Problemlösung, Teamarbeit, Verantwortungsbewusstsein, Arbeitsmoral, interkulturelle Kompetenz und Kommunikation.