Stuttgart Neapolitanisch: Der Städtebauentwurf „(Post) Covid City“

Während der Corona-Pandemie hat sich die Sichtweise auf urbane Dichte verschoben. Altbekannte Konnotationen von verdichtetem Stadtleben mit Ansteckung und Seuche kamen in diesem Zusammenhang wieder verstärkt auf. Welche integrative Kraft ein lebhaftes und dichtes städtisches Miteinander haben kann, hat im Wintersemester 2021/22 der Städtebauentwurf „(Post) Covid City“ am „Lehrstuhl für Entwerfen + Städtebau“ von Professorin Fabienne Hoelzel an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart untersucht. Als wichtiger Ausgangspunkt diente dem Kurs eine Exkursion nach Neapel.

Die Zeit der Lockdowns während der Corona-Pandemie hatte in vielerlei Hinsicht einen Einfluss auf unsere Städte und wie wir sie wahrnehmen. Auf der einen Seite haben sich wünschenswerte Tendenzen, wie zum Beispiel der innerstädtische Fahrradverkehr verstärkt, auf der anderen Seite fand aber auch eine Dämonisierung der urbanen Dichte statt. Alte Denkweisen, die Stadt und dichtes Zusammenleben mit Krankheit und Seuchenausbreitung gleichsetzten schienen wieder Konjunktur zu haben. In zahlreichen Medien wurde sogar schon eine Flucht aufs Land postuliert. Ob das die Zukunft ist und welche Chancen in einem sich bunt überlagerten Stadtleben liegen, hat der Städtebauentwurfskurs „(Post) Covid City“ am „Lehrstuhl für Entwerfen + Städtebau“ von Professorin Fabienne Hoelzel an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart im Wintersemester 2021/22 untersucht. In der Stuttgarter Innenstadt sollten die Studierenden erproben, welche Lehren sich aus der Corona-Zeit für die künftige Stadtplanung ableiten lassen und mit welchen Erfahrungswerten sich Städte nach der Pandemie sozialer und gesünder gestalten lassen können.

Dimensionen der Gesundheit

Zum Start des Kurses bekamen die Studierenden eine Einführung zu physischer, psychischer, sozialer und ökologischer Gesundheit. Während der Corona-Pandemie zielten die politischen Entscheidungen in erster Linie auf die Vermeidung von Ansteckungen. Dies hatte zur Folge, dass inbesondere Alleinstehende aller Altersgruppen aufgrund der monatelangen sozialen Isolation mit Einsamkeit und mentalen Problemen zu kämpfen hatten. Die Kursteilnehmenden sollten das erworbene Gesundheitswissen mit ihren eigenen Pandemie-Erfahrungen abgleichen. Dabei sollten sie Wechselwirkungen mit dem Stadtraum in die Betrachtung miteinbeziehen – etwa welche innerstädtischen Raumkonstellationen unter den Bedingungen der „sozialen Distanz“ wie funktionieren.

Von Neapel lernen

Als zweite Basis für die Entwurfsarbeit diente eine Exkursion nach Neapel. Ursprünglich war eine Reise nach Addis Abeba in Äthiopien geplant, die jedoch aufgrund der politischen Situation nicht stattfinden konnte. Stattdessen ging es in den Süden Italiens in eine Metropole, die seit jeher bekannt ist für ihre Dichte und Lebhaftigkeit. Die Bewohner*innen eignen sich hier den begrenzten Raum täglich aufs Neue an. Auf vielfältige Art und Weise verwischen in Neapel die Grenzen des öffentlichen mit dem privaten Raum. Dies beschrieb schon in den 1920er-Jahren Walter Benjamin in seinem Text „Orte im Süden: Neapel“, den die Studierenden als Vorbereitung auf die Reise gelesen haben. In der Stadt angekommen, fertigten sie Skizzen und Mappings an, die sich an dem übergeordneten Thema Gesundheit orientierten. 

Überlagerte Nutzungen

Die in Neapel gemachten Beobachtungen und ihr gesammeltes Wissen haben die Studierenden dann nach Stuttgart mitgebracht und in verschiedenen Szenarien auf ausgesuchte Gebiete dort übertragen. Von kleinen Interventionen in nachbarschaftlichen Räumen, bis hin zur Nachverdichtung großer Freiflächen, die unter Pandemiebedingungen schlichtweg ungenutzt verblieben sind, rangierten die Vorschläge in unterschiedlichen Maßstäben. Viele Arbeiten setzen auf hybride Konzepte mit überlagerten Nutzungen. Eine weitere Strategie stellte die Verlagerung von generell eher privaten Aktivitäten, wie Kochen oder gegenseitige Fürsorge, in den öffentlichen Raum dar.