Berlin-Australien Transfer: Entwürfe für ein Restitutionszentrum

Studierende aus Sydney befassten sich in einem Berliner Workshop mit den problematischen Seiten der deutsch-australischen Vergangenheit und entwickelten dabei einen neuen Bautypus.

Im Rahmen des Programmes „Future Thinking“ veranstaltet das ACNB Aedes Metropolitan Laboratory in Kooperation mit der University of Sydney und der Botschaft von Australien in Berlin die sogenannten „Lab Talks“ und thematisch zusammenhängende Entwurfsstudios. Dabei werden australische und deutsche Fallstudien verglichen, um Lösungen für eine nachhaltige Transformation urbaner und ruraler Räume zu finden. Mit einbezogen sind nicht nur Planende und Architekturschaffende, sondern auch Akteur*innen aus Politik, Wissenschaft und Industrie. Der Lab Talk im November 2023 beschäftigte sich unter dem Motto „Living with Country“ mit traditionellem Wissen über Handwerk, Landschaft und Orte. Die First Nations Communities in Australien betrachten Mensch und Umwelt nicht als getrennte Kategorien, sondern pflegen eine ganzheitliche Sichtweise auf das Leben.

What can architecture do?

Parallel zum letzten Lab Talk fand am ACNB in Berlin das Designstudio der University of Sydney statt, geleitet von Prof. Deborah Asher Barnstone und Miriam Mlecek. Die Teilnehmer*innen sollten auf dem Gelände des Berliner Nordbahnhofes ein Zentrum für die Rückführung indigener Kunst- und Kulturgegenstände entwerfen. Die Aufgabe bestand darin, einen neuen Gebäudetypus unter der Berücksichtigung der komplexen Verflechtung von Geschichte, des kollektiven Gedächtnisses und des Wissensschatzes der indigenen Bevölkerung zu entwerfen. Eine übergeordnete Frage in diesem sensiblen Feld war: „What can architecture do?“ 

Baulicher Beitrag zur Restitutionsdebatte

Das Thema wurde nicht zufällig gewählt: Deutschland gilt als Ursprungsnation der Archäologie. Über Jahrhunderte hinweg wurden in deutschen Museen Artefakte und indigene Kunst gesammelt und ausgestellt, um die Bevölkerung über „Weltkultur“ aufzuklären. Doch nicht nur Archäolog*innen, sondern auch deutsche Missionar*innen oder Kolonialist*innen sorgten für Nachschub in den heimischen Sammlungen. Das ethische Dilemma ist offensichtlich. In den letzten Jahren hat die Restitutionsdebatte – die Rückführung von Artefakten in ihre Herkunftsregionen – an Fahrt aufgenommen. Besonders aufgeladen ist die Diskussion, wenn es um heilige oder für die entsprechende Gesellschaft bedeutsame Objekte geht. Auch deutsche Museen besitzen solche Gegenstände aus Australien. Das Berliner Humboldtforum beherbergt beispielsweise eine 1879 erworbene Sammlung von Artefakten, die aus der Aborigine-Gemeinde stammen.

Auf Geisterjagd

Ein weiterer Baustein des Studios ist das Untersuchen der „Bösen Geister“ aus der Berliner Vergangenheit. Der Nationalsozialismus, der Zweite Weltkrieg und dessen Folgen in Form des Kalten Krieges und der Teilung Berlins sind im Stadtbild überall lesbar. Das Grundstück am Nordbahnhof war bis 1989 Teil des Todesstreifens an der Mauer. Der Entwurf „Hidden in Plain Sight“ von Sophia di Giandomenico thematisierte beispielsweise die sichtbaren „Wunden“ der Stadt und integrierte sie in die Gestaltung der Architektur. Andere Projekte befassten sich tiefergehend mit der Geschichte der Berliner Mauer selbst. Ventura Zhang schaute genau dorthin, wo die Mauer ihre eigenen Grenzen der Abgrenzung hatte, etwa bei den Blickbezügen. Es war stets möglich, über die Mauer hinweg in den jeweils anderen Teil der Stadt zu schauen. Diese Momente fanden dann auch Niederschlag im Design für das Restitutions-Zentrum. Die fertigen Projekte sind ab dem 23. November 2023 in der australischen Botschaft in Berlin zu sehen sein.