Atmende Architektur: Studio „Aerosole“
Können Gebäude atmen? Studierende der TU Dresden experimentierten im Löser Lott Entwurfsstudio mit der Materie und entwarfen Gebäude, die Luft reinigen und Städte neu beleben.

Luft – unsichtbar, formlos, flüchtig – beeinflusst unser Leben auf vielfältige Weise. Unser Handeln verändert nicht nur ihre Beschaffenheit, sondern wirkt sich auch auf unsere Lebensbedingungen aus. Dabei tragen auch die Nutzung und Funktionen unserer Gebäude entscheidend zu diesen Veränderungen bei.
Im Sommersemester 2024 untersuchten Studierende der Technischen Universität Dresden im Entwurfsstudio „Aerosole – The Air We Share“ von Prof. Katharina Löser und Prof. Johannes Lott die Verbindung von Architektur und Luft. Ihre Ergebnisse präsentierten sie in der Ausstellung „Luft. Eine für Alle“ im Deutschen Hygienemuseum Dresden. Dort konnten Besucher das schwer greifbare Thema aus physikalischer, sozialer und kultureller Perspektive erleben.

Die Po-Ebene als Versuchslabor
Für die Entwürfe diente die Po-Ebene in Italien als Ausgangspunkt. Die Metropole Mailand, gekennzeichnet von schlechter Luftqualität durch geringe Luftzirkulation und hohe Emissionen, diente als Untersuchungsfeld. Ziel war es, experimentelle Prototypen zu entwickeln, die an vielen Orten einsetzbar sind. Diese Strukturen sollten nicht nur die Luft filtern, sondern sich auch als integraler Bestandteil in das städtische Gefüge einbetten. So entstanden drei Szenarien: Plug-in, Filter und Storage.

Plug-in: Hybride Stadtspeicher
Das Szenario „Plug-in“ setzt auf hybride, gewächshausartige Strukturen, die als „Stadtspeicher“ agieren. Diese Gebäude kombinieren Wohnnutzung mit Windenergieanlagen, Luftreinigung und Wasserspeichern. Sie sind mehr als Lebensräume – sie sind Energiezentren, die die Luftqualität verbessern. Als Standorte dienen Kreisverkehre und Straßenkreuzungen nahe des Mailänder Bahnhofs. Ein Entwurfsbeispiel ist die „Etagere“ von Sohel Al Bonay. Diese Struktur gleicht einem großen Luftfilter: Eine bepflanzte Seilstruktur filtert Feinstaub, während die gereinigte Luft durch einen Kamineffekt nach oben geleitet wird. Die gewonnene frische Luft wird in die Umgebung abgegeben.

Filter: Autofreie Oasen
Ein Ort frei von Autos und Verkehr, ohne Luftverschmutzung. Das Szenario „Filter“ fokussiert sich auf die Schaffung von Luftkurorten. Grundlage dafür ist das Landschaftsschutzgebiet „Riserva Naturale Pian di Spagna e Lago di Mezzola“. An einem verlassenen oder ungenutzten Ort soll eine neue (Wohn-)Anlage entstehen, die eine nachhaltige Nutzung ermöglicht. Der Entwurf „Passerella“ von Pia Mielenz lädt Besucher*innen ein, in geschützten Bereichen zur Ruhe zu kommen, zu übernachten oder die Natur zu beobachten. Ein Holzsteg mit flexibler Textilbespannung ermöglicht es, die natürliche Umgebung zu erkunden.

Storage: Luftfilter aus Wasser
Luftqualität und Wasser stehen in enger Beziehung zueinander. Der Parkplatz am Bahnhof Porta Genova in Mailand ist die Grundlage für das Szenario „Storage“. Dabei wird eine Wohnanlage mit einem Stadtmoor kombiniert, das durch die Nutzung von Wasser neuen Lebensraum schafft und gleichzeitig die Luftqualität nachhaltig verbessert. Entwürfe wie Zimo Wangs „Wassertürme“ sammeln Regenwasser für Indoor-Farming und schaffen grüne Oasen in industriellen Gebieten. Diese Gebäude fungieren als urbane Filterstationen, die CO₂ speichern und gleichzeitig Raum für Gemeinschaft und Handel bieten.