Architektur als politisches Werkzeug: „Das Haus der Wahl“

Wie gestaltet Politik Raum, und wie kann Architektur darauf reagieren? Ein Entwurfsprojekt an der Hochschule Coburg wirft einen Blick auf Macht, Identität und gebaute Zukunft.

Die Gestaltung von Räumen beeinflusst, wie Menschen interagieren und spiegelt die Werte einer Gesellschaft wider. Mit diesem Thema beschäftigten sich die Studierenden der Hochschule Coburg im Wintersemester 2024/25. Unter der Leitung von Minh Nghi Lisa Vuong und Kristina Ziadeh untersuchte das Entwurfsprojekt „Das Haus der Wahl“ die räumlichen Dimensionen politischer Ideologien. In einer Zeit zunehmender politischer Spannungen und erstarkendem Rechtspopulismus lag der Fokus auf einer Architektur, die Vielfalt, Akzeptanz und demokratische Werte fördert.

Räume des Widerspruchs

Den Auftakt bildete ein intensiver viertägiger Workshop, in dem die Studierenden das Grundsatzprogramm der „Alternative für Deutschland“ (AfD) aus dem Jahr 2016 analysierten. Dabei setzten sie sich mit den Motiven rechtspopulistischer Wähler*innen auseinander und imaginierten eine Welt, eine Stadt und eine Gesellschaft, in der diese Partei die Regierungsmehrheit bildete. Welche architektonischen Strukturen würden unter einer solchen Ideologie entstehen – und welche würden verschwinden? Mithilfe von Texten, Bildern, Zeichnungen und Modellen visualisierten die Studierenden zentrale Programmpunkte als dystopische Szenarien – eine kritische Reflexion politischer Inhalte durch architektonische Mittel. Das Ergebnis: 28 Arbeiten im A3-Format, die in einer Ausstellung präsentiert wurden. 

Architektur als Gegenstrategie

Auf dieser Analysephase aufbauend entwickelten die Studierenden räumliche Gegenmodelle. In fünf Entwürfen setzten sie sich mit der politischen Realität in Neustadt bei Coburg auseinander. Es entstanden architektonische Konzepte, die demokratische und inklusive Räume schaffen sollten. Eine Installation im öffentlichen Raum machte etwa die Lebenswege migrierter Personen sichtbar. Ein anderes Projekt schlug ein Wohn- und Bildungszentrum für Senior*innen und Waisenkinder als Ort des generationsübergreifenden Austauschs vor.

Architektur ist nie neutral

Der Entwurf führte zu einer zentralen Erkenntnis: Architektur ist nie neutral. Sie transportiert Botschaften, stiftet Identität und prägt gesellschaftliche Strukturen. Rechte Bewegungen nutzen Architektur bewusst als identitätspolitisches Instrument – etwa durch den Rückgriff auf historisierende Stilrichtungen oder den Bau monumentaler Strukturen, die eine vermeintlich glorreiche Vergangenheit beschwören.

Doch Architektur bewirkt auch das Gegenteil: Sie kann Räume schaffen, die Dialog und Vielfalt fördern. Die Studierenden entwickelten Konzepte, bei denen partizipative Planungsprozesse eine zentrale Rolle spielten. Durch die aktive Einbindung der Stadtbewohner*innen entstanden im Entwurf Orte, die Austausch und Begegnung ermöglichen und sich bewusst gegen die Ideologie geschlossener, ausgrenzender Räume stellen.