Januar / Februar 2019
Universität Stuttgart
Narva - Ein emotionaler Masterplan
Punktuelle Verdichtung der Stadt durch öffentliche Kulturgebäude
Universität Stuttgart
Master
24.10.201
Institut für öffentliche Bauten und Entwerfen, Prof. Alexander Schwarz
Städtebau
210 Kilometer und drei Stunden Autofahrt von der estnischen Hauptstadt Tallinn entfernt, fühlt sich die russischsprachige Enklave Narva vom Rest des Landes isoliert. Nur 44% der Einwohner Narvas haben einen estnischen Pass. Die Beschäftigungsquote liegt bei geringen 54% und 58% der Einwohner können die Amtssprache Estnisch nicht sprechen. Dieses Netz an Missständen liegt lähmend über der Stadt und führt bei ihren Bewohnern zu vollkommener Perspektivlosigkeit.
Der städtische Kontext ist bildlicher Ausdruck dieses Gefühls. Die billig und schnell errichteten Zeilenwohnhäuser zeugen von keiner architektonischen Qualität. Meinungen machen sich stark, der komplette Abriss der Stadt und eine radikale Neuplanung wären sinnvoller und nachhaltiger als eine Renovierung der Chruschtschowkas. Dabei wird allerdings ein ausschlaggebender Punkt vergessen: die Geschichte der Stadt, also die radikale Transformation von einem Stadttypus zu einem anderen während der Sowjetzeit, hat in der Vergangenheit zu einem durchschlagenden Identitätsverlust geführt. Um Narva aus diesem Zustand zu befreien, muss sich die Stadt aus ihrer Geschichte heraus weiterentwickeln und aus der Vergangenheit lernen und schöpfen.
Narva braucht eine neue Narrative – eine Identität.
Der emotionale Masterplan der an Hand des Manifests und zugehörigen Fotomontagen erläutert wird, bestimmt die Charakteristiken Narvas und verdeutlicht die Potenziale der Stadt. Die Motive sind eine Zusammenstellung aus dem charakteristischen Baubestand, vorgefundenen Strukturen und bestehenden Landschaftsräumen. Die Kombination in der Stadt vorgefundener Situationen ermöglicht eine Zukunftsvorstellung, die vertraut erscheint und Hoffnungen auf eine bessere Realität weckt. Der „emotionale Masterplan“ arbeitet mit bekannten Gegebenheiten und Alltagssituationen, interpretiert diese neu oder setzt sie in einen anderen Kontext. So entstandene Ideen und Vorstellungen sollen die Bewohner ermutigen, ihre Stadt aktiv mitzugestalten. Nicht durch die Wiederholung einer radikalen Neuplanung, sondern durch kontinuierliche Weiterentwicklung kann der Fortbestand von Narva gewährleistet werden. Die Stadt muss durch öffentliche Kulturgebäude punktuell verdichtet werden. Die Bewohner Narvas brauchen Orte des Austausches und der Identität. Benötigt werden Orte der Zugehörigkeit, die ein Gefühl der Gemeinschaft vermitteln.
Gezielte architektonische Eingriffe sollen diesem Missstand entgegenwirken. Bedürfnisse werden erfragt und Neubauten gezielt gesetzt um die städtebaulichen Strategien des Masterplans umzusetzen. Die neue Stadtbibliothek die auch Räumlichkeiten zur Sprachbildung anbietet, die neue Markthalle die zukünftig Verkaufsflächen für eigens angebaute Produkte stellt und die neue Stadtsauna ergänzen das Bild um Orte der Kommunikation und bilden als „Ankerhäuser” der Stadt die neuen Gemeindezentren.