Nachlass eines Schalenbautenpioniers: Müther-Archiv eingeweiht

Mit seinen schwungvollen Betonschalenbauten zählt er zu den prägenden Persönlichkeiten der ostdeutschen Nachkriegsarchitektur. Dem Bauingenieur Ulrich Müther gelang es, trotz Materialmangels zu DDR-Zeiten mehr als siebzig innovative Entwürfe zu realisieren. Nun kann sein Nachlass in neuen Räumen auf dem Campus der Hochschule Wismar besichtigt werden.

Seit Anfang Juni 2022 ist der Nachlass des DDR-Architekten Ulrich Müther auf dem Campus der Hochschule Wismar öffentlich zugänglich. Zahlreiche Schriftstücke, Originalpläne, Fotografien und Modelle können nun für wissenschaftliche und private Studien kostenlos genutzt werden. Zur feierlichen Einweihung des Archivs kamen Vertreter*innen der Landesregierung, der Architekten- und Ingenieurkammer, diverser Archiv- und Forschungseinrichtungen und Angehörige der Hochschule.

Bestand des Müther-Archivs

Der Archivbestand umfasst 156 laufende Meter Schriftgut – dazu zählen Bauakten, persönliche Dokumente, Manuskripte und Bücher. Hinzu kommen nahezu zehntausend Zeichnungen und mehr als fünftausend Fotografien. Außerdem zählt der Nachlass 32 Modelle sowie Arbeitsgeräte und Möbel. Die Mitarbeiter*innen des Archivs sichern diesen Bestand und arbeiten ihn wissenschaftlich auf.

In Zusammenarbeit mit dem Baukunstarchiv der Akademie der Künste in Berlin wurde das Material erschlossen. Das Projekt wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. In einem separaten hochschulinternen Förderprojekt wurden 2020 erste wichtige Teile des Archivbestandes digitalisiert und der Öffentlichkeit in einer Datenbank zugänglich gemacht. Außerdem hat das Archiv eine Schriftenreihe über wichtige Bauten Müthers publiziert.


Leben und Werk Ulrich Müthers

Der 1934 in Binz auf Rügen geborene Bauingenieur Ulrich Müther zählt zu den wichtigsten Vertretern der ostdeutschen Nachkriegsarchitektur und gilt als ein bedeutender Repräsentant der architektonischen Moderne. In den 1960er-Jahren spezialisierte er sich auf die Konstruktion und Ausführung von Betonschalen, die ihn international bekannt machten. Insgesamt realisierte er über 70 solcher eleganten Schalenbauten – die meisten davon in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in anderen Teilen der DDR. Auch im Ausland ist Müthers Werk zu finden – etwa das Raumflugplanetarium „Spacemaster“ in Libyens Hauptstadt Tripolis oder eine Radrennbahn in Havanna. 2007 verstarb Ulrich Müther. Sein Nachlass wurde ein Jahr vor seinem Tod mit seiner Zustimmung an die Hochschule Wismar gegeben, wo er seither verwahrt wird.

Zu Müthers bekanntesten Bauwerken gehören die 1966 realisierte Messehalle „Bauwesen und Erdöl“ in Rostock-Schutow; Großgaststätten wie der „Teepott“ in Rostock-Warnemünde, die „Ostseeperle“ in Glowe – beide 1967/68 errichtet – und das „Ahornblatt“ am Fuße des Berliner Fernsehturms, das 1969 bis 1973 realisiert und im Jahr 2000 abgerissen wurde. Zu seinen wichtigsten Werken zählen außerdem das Café „Seerose“ in Potsdam aus dem Jahr 1982/83 und die futuristische Rettungsstation am Strand von Binz auf Rügen, der 1979 bis 1982 errichtet und 2018 saniert wurde.