Wo die Welt sich trifft Zum Tod von Meinhard von Gerkan
02.12.2022
Es war ein überaus erfolgreiches Architektenleben, das am 30. November 2022 in Hamburg zu Ende ging. Meinhard von Gerkan ist im Alter von 87 Jahren gestorben. 57 Jahre ist es her, dass er gemeinsam mit Volkwin Marg seine Diplomarbeit zum Wettbewerb für den Flughafen Berlin-Tegel einreichte – und gewann. Die darauf basierende Bürogründung ist so legendär wie der Mut der damaligen Berliner Verwaltung, frisch gebackenen Architekturabsolventen eine derartige Planungsaufgabe zu übertragen.
Was mit einer Anzeige im Hamburger Abendblatt „Architektenzeichnungen fertigen billigst, Tel.: 451026“ begann, haben von Gerkan und Marg über die Jahrzehnte zu einem der größten deutschen Architekturbüros mit heute rund 600 Mitarbeiter*innen an sieben Standorten entwickelt. Und so ist der Name gmp inzwischen mit über 500, zum Teil großmaßstäblichen Projekten wie Stadien, Bahnhöfen, Flughäfen ebenso verbunden wie mit dem deutschen Architekturexport vor allem in Richtung Asien. Oft sind es Bauten, in denen die Welt sich trifft. Zu den bekanntesten in Deutschland zählen neben Berlin-Tegel die Flughäfen in Hamburg und Stuttgart, der Berliner Hauptbahnhof sowie der Christus-Pavillon für die Expo 2000, der heute im Kloster Volkenroda steht.
Allein 170 Projekte sind in den vergangenen 20 Jahren in China entstanden. Auch dort war es ein gewonnener Wettbewerb, für die Deutsche Schule in Peking, der den Grundstein für die erste gmp-Niederlassung in China legte. Messegelände in Shenzhen und Xi’an folgten ebenso wie Theater in Qingdao, Nanning und Tianjin, Museen in Shanghai, Changchun, Lingang und mit Lingang New City bei Shanghai gar eine ganze Stadt. Als 2011 in Peking das Chinesische Nationalmuseum am Platz des Himmlischen Friedens eröffnete, stand die Arbeit von Architekten für autoritär regierte Staaten bereits in der Kritik. „Ich denke nicht, dass es eine Aufgabe der Architektur ist, eine ‚kritische Distanz‘ zu wahren oder auszudrücken“, antwortete von Gerkan damals im Baunetz-Interview. Drei Jahre zuvor hatte er sich mit Christoph Ingenhoven öffentlich zum Thema „Bauen für Despoten“ gestritten.
In der gestern veröffentlichten Pressemitteilung des Büros blickt Volkwin Marg dankbar auf die gemeinsame Zeit mit seinem Büropartner. „Unsere Arbeitsweise hat sich im Laufe unserer mehr als fünfzigjährigen Berufsehe nur unwesentlich geändert. Frei nach General Moltkes Devise ,Getrennt marschieren, vereint schlagen‘ haben wir unsere Entwürfe getrennt bearbeitet, in allen grundlegenden Belangen einander aber stets konsultiert ... Wir hatten das Glück, in Friedenszeiten zu starten, in einer Demokratie zu leben. Städtebaulich wie architektonisch hatten wir die Freiheit, auf unterschiedlichsten Ebenen Antworten auf die Fragen der Umweltgestaltung zu finden. Beide gleichermaßen empfanden wir es als Verpflichtung, unsere Erfahrungen auch außerhalb unseres Büros an die junge Generation weiterzugeben.“
Bevor von Gerkan 2007 die gmp-Stiftung und die Academy for Architectural Culture (aac) mitgründete, die sich als gemeinnützige Einrichtung der Weiterbildung von Absolvent*innen und jungen Architekt*innen widmet, prägte er als Hochschullehrer an der TU Braunschweig mehrere Generationen. 1974 hatte er von Friedrich Wilhelm Kraemer den Lehrstuhl A für Entwerfen übernommen und ihn bis 2002 neben mehreren Bürostandorten und Projekten geführt. „Man musste nie länger als zwei Wochen auf eine Korrektur von ihm persönlich warten“, erinnert sich der ehemalige Baunetz-Redakteur und einer seiner Schüler Benedikt Hotze an einen plausibel argumentierenden und druckreif formulierenden Lehrer.
Mit dieser Gabe hat von Gerkan als Autor und Kritiker in Büchern, Texten und Vorträgen die eigene Praxis reflektiert und sich immer wieder in die Architekturdebatte eingemischt. Stellvertretend hierfür steht sein Buch „Black Box BER. Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut“, in dem er seine Sicht auf den skandalösen Bauprozess am Flughafen Berlin Brandenburg, aber auch auf andere Großbauprojekte darlegte.
Obwohl seinem Büro im Laufe der Planungen gekündigt worden war, blieb er dennoch bis zum Schluss im Gespräch mit diesem schwierigen Projekt. Ein Flughafen sei kein Zustand, sondern ein Prozess. Da werde ständig weitergebaut, sagte Meinhard von Gerkan 85-jährig beim Presserundgang anlässlich der Fertigstellung des BER über den zehnten Flughafen seiner Karriere. So wird er vielen auch als Mensch in Erinnerung bleiben, der mit den schwierigsten Bauherren umzugehen verstand und dabei seine architektonische Vision nie aus den Augen verloren hat.