Strand in Beton Der erste chlorfreie Pool in Kanada

Text von Norman Kietzmann | 13.07.2022

Es geht auch ohne Chemie! In der kanadischen Stadt Edmonton entstand der Borden Park Natural Swimming Pool nach Plänen des Architekturbüros gh3* aus Toronto. Wasser wird dort durch Granulat-, Pflanzen- und Kiesfilter gereinigt. Wände aus Gabionen – mit Kalksteinen gefüllte Drahtkörbe – verwurzeln die Architektur und dienen als Sinnbild für eine natürliche Wasserreinigung.

Während in Berlin noch über das Flussbad in der Spree diskutiert wird, ist man in Kanada schon weiter. In der 980.000-Einwohner-Stadt Edmonton in der Provinz Alberta ist ein bestehendes Freibad aus den Fünfzigerjahren durch einen Neubau ergänzt worden, der auf baulicher wie ökologischer Ebene überzeugt.

Der von gh3* Architekten entworfene Borden Park Natural Swimming Pool mit einem 150 Quadratmeter großen Kinder- und einem 800 Quadratmeter großen Hauptbecken kommt gänzlich ohne Chlor oder andere chemische Desinfektionsmittel aus. Es geht um ein „ausgewogenes Ökosystem, in dem Pflanzenmaterialien, Mikroorganismen und Nährstoffe in einem Filterprozess aus Kies und Sand zusammenkommen, um ‚lebendiges Wasser‘ zu schaffen", so Pat Hanson, die Gründerin des in Toronto ansässigen Büros.

Bauliche Einbindung
Bei der Planung und Umsetzung haben die Architekt*innen mit dem auf Filteranlagen spezialisierten Ingenieurbüro Blumberg aus dem niedersächsischen Bovenden zusammengearbeitet. Das Wasser wird zunächst über eine Sprenkleranlage auf einem 190 Quadratmeter großen Kiesbett verteilt und gefiltert. Anschließend geht es weiter in einen bepflanzten Teich. Das hydrobotanische Filtersystem nimmt eine Fläche von 50 Quadratmetern ein und kann einen Volumenstrom von 250 Kubikmetern am Tag bewältigen. Daneben befindet sich eine Phosphat-Adsorptionsanlage mit einem getauchten Granulatfilter. Auch dort wird auf 50 Quadratmetern ein Durchlauf von 250 Kubikmetern am Tag erzeugt.
 
Die Wasserreinigung bleibt den Schwimmer*innen nicht verborgen. Im Gegenteil: Die Stufen des Reinigungsprozesses sind in die räumliche Gesamtkomposition so eingebunden, dass sie sich auf Anhieb visuell erschließen. Die beiden permanent unter Wasser stehenden Filterbecken sind – mit einer Distanz von rund fünf Metern – in einer Flucht mit dem Hauptschwimmbecken platziert. Seitlich, auf einer höheren Ebene, ist das größere Kiesbecken angeordnet. Interessant ist hierbei die Materialität. Denn die Ränder der Filterbecken sind aus Gabionen konstruiert: dunklen, lokal gewonnenen Kalksteinen, die von feingliedrigen Metallkäfigen eingefasst werden.


Stein hinter Gittern
In der Materialität des Kalksteins schließt sich nicht nur der Kreis zum Ort, sondern auch zur Architektur des langen Gebäuderiegels. Dieser verläuft parallel zur Längsseite des großen Beckens und nimmt Umkleideräume, Empfang, Verwaltung, Lagerräume und Haustechnik auf. Die Fassade ist ebenso aus Gabionen geschichtet, die dort eine geradezu archaische Wirkung entfalten. Fast könnte man denken, das Haus sei mehrere Jahrhunderte alt. Und das offensichtlich neue Gittergewand wäre nur montiert, um ein Auseinanderdriften des historischen Mauerwerks zu unterbinden.
 
Bauliches Ensemble
Die Steinkorb-Wände schließen mit einem Flachdach ab. Die Architekt*innen beziehen sich damit auf die beiden modernistischen Schwimmbadgebäude, die in den Fünfzigerjahren am südwestlichen Rand des Grundstücks errichtet wurden. Die Kubatur des eingeschossigen Gebäudes wurde bewusst niedrig konzipiert. Der Grund: Die Blicke können ungestört von der Poolkante direkt in mächtige Baumkronen wandern. Diese stehen direkt nebenan im Borden Park, der dem Freibad seinen Namen gegeben hat. Der Poolbereich wird von einem 400 Quadratmeter großen Betondeck umrundet, das nahtlos in eine holzbeplankte Fläche übergeht. Dort stehen Liegen zum Sonnenbaden ebenso wie Außenduschen bereit. Hinzu kommen als Picknickbereiche ausgewiesene Rasenflächen sowie Räume für andere Freizeitaktivitäten.

Sandkästen mit Wasserlage
Eine Besonderheit sind die vom Betondeck eingefassten Becken, die mit Sand gefüllt sind. Dass die Architekt*innen hierbei bewusst von „Strand“ sprechen, ist kein Zufall. Denn das Projekt wurde von den örtlichen Behörden als Erholungsgewässer eingestuft. Die Baugenehmigung gilt für einen „gebauten Strand mit Abweichungen“, wobei zu Letzterem die Schwimmbecken sowie der steinverkleidete Gebäuderiegel gezählt werden. Der Verzicht auf Chemikalien ist also nicht nur gut für Umwelt und die Gesundheit der Badenden. Er vereinfacht auch die Planung. 

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