Biennale beyond the buzz: Der baunetz CAMPUS Rückblick

Ein lockerer Rundgang durch die Länderpavillons und Einblicke in die Begleitveranstaltungen: Hier kommen die Highlights der 18. Biennale aus der Perspektive der baunetz CAMPUS Redaktion.

Die Biennale Architettura 2023. 18th International Architecture Exhibition ist eröffnet – Darüber wird bereits in allen Medien ausgiebig und tiefgründig berichtet. Wir sind trotzdem der Meinung, dass der besondere CAMPUS-Blick ein eigenes Licht auf die Ausstellung werfen kann: Welche akademischen Einrichtungen waren anwesend? Wie wurden Studierende in die einzelnen Beiträge einbezogen? Zu welchen Anliegen kann sich der Nachwuchs einbringen? Dies und mehr in einem gedanklichen Spaziergang, einer Sequenz von Momentaufnahmen und Impressionen – jenseits der großen Themenkomplexe, die Kuratorin Lesley Lokko mit „The Laboratory of the Future“ aufgespannt hat.

Durch Länder und Themen flanieren

Erster Tag, erster Stopp, erste Eindrücke: Bei der Ankunft auf dem Giardini-Gelände ist der Drang nach Öffnung und Dialog vom ersten Moment an spürbar. Der erste Pavillon, den wir besuchen, ist die Schweiz: Das Kurator*innenduo hat die Kommunikation zwischen den beiden benachbarten Pavillons – der Schweiz und Venezuela – wieder aufbauen wollen. Künstlerin Karin Sander und Kunsthistoriker Philip Ursprung, beide Professor*innen an der ETH Zürich, haben diese Intervention buchstäblich umgesetzt, die nachträglich eingebaute Trennwand zwischen den Pavillons abgerissen und das von Carlo Scarpa und Bruno Giacometti beabsichtigte Raumkontinuum wiederhergestellt. Es bleibt spannend, wie sich nun die Konversation aufbaut.

Das kuratorische Team Österreichs, das Kollektiv AKT und Hermann Czech, hat sich ebenfalls mit der Beseitigung einer Grenze beschäftigt. Ihr ursprüngliches Konzept sah vor, die Mauer der Giardini punktuell zu durchbrechen, um die Nachbarschaft in den Pavillon einzuladen. Das wiederholte Scheitern dieses Versuchs findet Ausdruck in dem aktivistischen Ton der Ausstellung „Partecipazione / Beteiligung“. 1:0 für den privat genutzten Biennale-Garten. 

Den widersprüchlichen Zustand der Giardini, eines öffentlichen Raums, der aber als Park nicht frei begehbar ist, thematisiert übrigens auch das Ausstellungsprojekt Unfolding Pavilion #OPENGIARDINI, das sich schon lange mit der Öffnung von architektonisch bedeutenden, aber unzugänglichen Räumen beschäftigt. 

Für den Usbekischen Pavillon im Arsenale war die Mauer kein Hindernis, sondern Ergebnis der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Vorgefundenen. 25 Studierende der Ajou University in Tashkent verwandelten alte Ziegelsteine in ein sinnliches Raumerlebnis – feucht, dunkel, dennoch fotogen.

Für die Wertschätzung des Vorgefundenen setzt sich auch der deutsche Pavillon ein. Die Fundgrube des Kurator*innen-Teams: die Rückstände der Kunstbiennale 2022. Sorgfältig inventarisiert und plastisch ausgestellt, erhalten die Spolien einen besonderen Stellenwert. Wenn dieser Pavillon eine Sprache sprechen würde, dann wäre das Esperanto – Denn der Anspruch, Barrieren zwischen den Völkern zu überwinden, wird deutlich. Der Einsatz geht nämlich weit über die Grenzen des Giardini-Pavillons hinaus: Zahlreiche Studierende werden in den nächsten Monaten an aufeinanderfolgenden Workshops teilnehmen, um gezielte Reparatur- und Wartungsarbeiten in Venedig durchzuführen.

Im Workshop-Format spricht auch der Tschechische Pavillon ein ernstzunehmendes Thema an: die prekären Arbeitsbedingungen des Architekturnachwuchses. „The Office for a Non-Precarious Future“ baut auf der Frage auf: Wie können Architekturschaffende eine bessere Welt gestalten, wenn sie selbst in einem toxischen Arbeitssystem arbeiten? Im Rahmen des Residenzprogramms werden sich tschechische Akteur*innen über die Laufzeit der Biennale lösungsorientiert mit dieser Frage auseinandersetzen.

Kollateral, aber nicht weniger relevant 

Außerhalb der beiden Biennale Sites finden zahlreiche Begleitveranstaltungen statt. Erwähnenswert ist das von dem European Cultural Center organisierte Projekt „Time Space Existence“, das mit einer hohen Konzentration an Beiträgen an mehreren Orten präsent ist. In diesem Rahmen finden unter anderem die „EUmies Awards. Young Talent 2023. Laboratory of Education“ und „BioMat“ Ausstellungen statt, und die Norman Foster Foundation präsentiert den Prototypen der „Essential Homes Research“. Von den über 200 Projekten ist man schnell überfordert. Im Gegensatz zu dem Venedig Trubel fühlte sich die von der LINA.community auf der benachbarten Insel Certosa organisierte Veranstaltung zur Ankündigung des Open Calls angenehm entschleunigend an.

Ausstellungskonzept Modell

Die diesjährige Biennale gilt wegen zahlreicher Video-, Sound- und Bildformate als besonders anschaulich, doch wenig „architektonisch“. Für den geschulten Blick des Architekturschaffenden sind jedoch Modelle – unmittelbare Vermittler einer räumlichen Intention – immer noch attraktiv. Unweit vom San Marco Platz, im Palazzo delle Prigioni, stellt der taiwanesische Beitrag „Diachronic Apparatuses of Taiwan“ ausschließlich Studierendenmodelle aus. Kuratiert von Tseng Wei von der Tunghai University in Taichung, präsentiert das Projekt Entwürfe konstruierter Landschaften. Ein dreidimensionaler Ausdruck radikaler Visionen findet man auch in der von der New York University organisierten Kleinausstellung „Students as Researchers“. Die starke Bedeutung des Modellbaus und die Liebe für das Material kommen in dem Beitrag „Emotional Heritage“ von Flores i Prats Architects zum Ausdruck. Auch wenn sich die Kommunikationsmöglichkeiten in der Architektur vervielfältigt haben – wie Lesley Lokkos Gäste es beweisen konnten – spricht das Modell weiterhin die universelle Sprache der Gestalter*innen. 

Review oder Revue?

War das ein Review, oder haben wir nur die Biennale Revue passieren lassen? Wie dem auch sei, die übergeordnete Absicht ist es, Studierende zu inspirieren und zu ermutigen, sich aktiv zu beteiligen, um auf dieser global relevanten Bühne schon früh eine Rolle spielen zu können.

Ein Andenken haben wir auch zurück nach Berlin gebracht: Eine Spolie aus dem deutschen Pavillon, für die wir eine neue sinnvolle Nutzung finden werden.