Anschauliche Kreisläufe: Wiedereröffnung des RoofKIT auf dem KIT Campus

Das preisgekrönte 1:1 Studierendenprojekt aus Karlsruhe vereint energetische Erneuerbarkeit und zirkuläre Nachhaltigkeit. Versetzt und wiedereröffnet auf dem KIT Unigelände, bietet es jetzt Führungen in die Zukunft des Bauens.

Mit RoofKIT präsentiert das KIT eine zukunftsweisende Vision für das Bauen im 21. Jahrhundert. Das Projekt ist im Rahmen der Wettbewerbsteilnahme im Jahr 2022 an dem Solar Decathlon in Wuppertal entstanden und erhielt den ersten Platz mit dem Konzept für die Aufstockung in Holzkonstruktion des Café ADA in Karlsruhe. Unter der Leitung von Prof. Dirk Hebel des Lehrstuhls für Nachhaltiges Bauen und Prof. Andreas Wagner des Lehrstuhls für Bauphysik und Technischen Ausbau haben die Studierenden einen neuen Ansatz aufgezeigt, bei dem Planende der Architektur, des Ingenieurwesens und Designs im Einklang mit natürlichen Kreisläufen gemeinsam entwerfen. Dadurch ist ein Beispiel eines nachhaltigen Dachaufbaus mit Wohneinheiten entstanden, das selbst erneuerbare Energien erzeugt und als Materialbank für die Zukunft dienen soll. Seit April 2023 steht es nun wiedereröffnet auf dem KIT Campus in Karlsruhe und soll demnächst für Forschung und Führungen weitergenutzt werden.

Modular, effizient und nachhaltig konstruiert

Gesamtkonzept und Grundriss folgen der Idee des „Shared-Space“. Die Studierenden haben modulare Holz-Wohneinheiten entworfen, die um ein öffentliches Atrium angeordnet sind. Jeder Raum, einschließlich der umgesetzten Demonstrationseinheit, ist um ein zentrales Kernstück geplant, das Küche, Bad, technische Infrastruktur und Stauraum beherbergt. Die Verwendung von vorgefertigten Holzmodulen ermöglicht nicht nur eine effiziente und sichere Arbeitsweise, sondern gewährleistet auch eine präzise Konstruktion. Die gesamte Einheit sitzt auf einer Gerüstkonstruktion, um das Bild der Aufstockung darzustellen. Alle Elemente sollten nach dem Wettbewerb ohne Qualitätsverlust wieder genutzt werden können – die geliehenen Gerüstelemente werden je nach Standort an die lokalen Anbieter zurückgegeben.

Material und Kreislauf

100 % kreisförmige Bauweise: Das war das Ziel des Teams. Um die vollständige Kreislauffähigkeit der Gebäude- und Materialien zu gewährleisten, sollten im vorgefertigten Modulsystem keine Klebstoffe, Imprägnierungen, Farben, Schäume oder Nassabdichtungen verwendet werden. Verbundstoffe oder Materialmischungen werden in der Konstruktion als auch in den Baustoffen streng vermieden. Das Projekt nimmt sich selbst die Wiederverwendung von Bauteilen und Materialien aus städtischen Minen vor wie z. B. altes Holz, Türen aus historischen Gebäuden, Fenster aus abgerissenen Strukturen und Armaturen aus Messerückbauten. So entstanden unter anderem ein Dach aus recyceltem Kupfermaterial, Küchenfronten und Badtüren aus alten Joghurtbechern, Glaskeramikverkleidungen aus zerbrochenem Glas, ein Spiegel aus hochglanzpoliertem Stahl und gepflasterte Eingangsbereiche mit Steinen aus wiedergewonnenem Bauschutt.

Die Einheit verwendet neben Kreislaufmaterialien auch natürliche biologische Baustoffe: Leimfreies und unbehandeltes Holz für die Konstruktion, um synthetische Holzverbundstoffmaterialien zu vermeiden. Lehmputze auf Lehmplatten kontrollieren die Luftfeuchtigkeit und Luftqualität. Der Kern und die Decke der Einheit sind mit natürlichem Filz verkleidet, während das Dämmmaterial aus unbehandeltem Seegras besteht. Es werden auch Plattenwerkstoffe und Lampenschirme aus Myzelium sowie lebende Pilzorganismen als Witterungsschutz an der Fassade eingesetzt. Zur Gewährleistung thermischer Masse werden luftgetrocknete Lehmsteine und -platten für die Fußbodenheizung verwendet.

Wenig Energie, gutes Raumklima

Ganzheitliche Kreislaufsysteme im Bauwesen sind jedoch nur dann sinnvoll, wenn man auf erneuerbare Energiequellen setzt. RoofKIT ist durch die Solaranlagen auf der Gebäudehülle autark. Die Herausforderung liegt darin, den Energiebedarf sowohl der neuen Wohneinheit als auch des bestehenden Gebäudes zu decken. Dachintegrierte PVT-Kollektoren liefern Strom und Wärme, letztere wird als Energiequelle für eine Wärmepumpe genutzt. Eine spezielle Beschichtung ermöglicht es, die PV-Module optisch mit der Kupferbedachung zu verschmelzen. Ein intelligentes Energiemanagementsystem optimiert den Eigenverbrauch von Solarenergie und die Netzdienlichkeit des Gebäudes.

Um ein angenehmes Raumklima im Sommer zu gewährleisten, wurde ein passives Kühlkonzept implementiert, das effektive Beschattung, thermische Masse und Nachtlüftung nutzt. Das Energiemanagementsystem optimiert den Komfort durch Steuerung der Lamellenstoren, Oberlichter und natürlichen Belüftung. Die Bewohner*innen erhalten Informationen über eine Schnittstelle, um die Wirksamkeit der Nachtlüftung zu verbessern. Zusätzlich werden dezentrale Pendellüfter ohne Luftkanäle und kabellose Lichtschalter eingesetzt, um die Technikinfrastruktur zu reduzieren. Das Beleuchtungssystem vermeidet unnötige Leuchten und verwendet flexible, kabellose Elemente für gezieltes Licht, während um den Kern herum eine an die Tageszeit angepasste Lichtfarbe eingesetzt wird.

Anschauliche Innovation als neuer Teil des Campus

Mit dem Wettbewerbsgewinn und der Ausstellung war nun aber nicht Schluss: Im Sinne der nachhaltigen Nutzung soll natürlich auch die entstandene Demonstrationseinheit eine längerfristige Funktion haben. Praxisnahe 1:1 Projekte wie das RoofKIT haben die Möglichkeit, Forschung und technische Umsetzung direkt am Objekt anschaulich und testbar zu machen. Dafür wurde das Objekt in Wuppertal abgebaut und schließlich auf dem Campus Süd des KIT, dank der durchdachten Modulbauweise ressourcensparend wiedererrichtet. Am 26. April erfolgte schließlich die Wiedereröffnung. Architektur- und Energieforschung sollen hier zukünftig ineinander greifen: In den kommenden drei Jahren dient die Gebäudeeinheit aus Holz, Zellulose, Lehm, Myzelien und recycelten Abfällen als Ort für interdisziplinäre Forschung. Zukünftig können über das Institut regelmäßig Führungen durch das Projekt gebucht werden.