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Atypische Typologien

Was sich hinter dem Widerspruch verbirgt

Editorial

Typologie außerhalb des Kanons

von Sorana Radulescu

Der Begriff „Typologie“ klassifiziert Architekturbauten anhand struktureller, morphologischen oder funktionalen Kriterien. Diese Einordnung von Gebäudetypen bietet eine Möglichkeit, die Architektur zu verstehen und zu entziffern. In der Gebäudelehre gilt  Typologie als eines der Fundamente des architektonischen Gestaltens. Den bekannten typologischen Analyse- und Entwurfsmethoden liegt ein allgemeingültiger Sprachkodex zugrunde. Dieses bekannte Vokabular bildet das Instrumentarium für das architektonische Schaffen.

Was passiert jedoch, wenn das allgemeingültige typologische Vokabular keine zeitgemäßen Formulierungen mehr ermöglicht? Gerade in den heutigen turbulenten Zeiten ist es die Aufgabe der Architektur, maßgeschneiderte Antworten auf politische, soziale und klimatische Anforderungen zu finden. Anstatt nach morphologischer Lesbarkeit und funktionaler Ordnung sucht die Architekturdisziplin aktuell nach offenen Systemen und Flexibilität. In diesem Kontext muss über den Begriff „Typologie“ neu nachgedacht werden, damit typologisch auf die aktuellen Herausforderungen reagiert werden kann. Ein Verständnis von Typologie, das in einem strikten Kanon verhaftet bleibt, ist bereits überholt. 
 
Kann typologische Innovation überhaupt noch stattfinden? Die Architektur durch den „klassischen“ Filter der Typologie zu denken, zu erklären und zu verstehen – diese Herangehensweise stellen wir hiermit in Frage und werfen einen Blick auf „atypische“ Beispiele in der Typologielehre.

In unserer aktuellen Ausgabe beleuchten wir konkrete Abweichungen vom typologischen Kanon. Unter dem widersprüchlichen Überbegriff „atypische Typologien“ ordnen wir zum einem die kontraintuitiven Gebäudetypologien von Assoc. Prof. Andreas Lechner ein. In seiner Lehr- und Forschungsaktivität an der Technischen Universität Graz hat er den Begriff „Counterintuitive Typologies“ geprägt. In dem geführten Interview erklärt er das Konzept und die solide theoretische Grundlage, auf der seine Arbeit fußt. Im Weiteren legen wir das Augenmerk auf eine konkrete Bauaufgabe, die sich bislang einer typologischen Bestimmung entzogen hat: Datenspeichergebäude. Prof. Niklas Maak untersucht gemeinsam mit Studierenden der Städelschule die gesellschaftspolitische und architektonische Bedeutung dieser „A-Typologie“. Auf diesen Erkenntnissen baut die Publikation „Servermanifest. Architektur der Aufklärung: Data Center als Politikmaschinen“ auf. Abschließend stellt der internationale Masterstudiengang M_ARCH_T an der Technischen Universität Berlin die Gültigkeit der Architekturtypologie, wie wir sie bislang kennen, in Frage. Im Masterprogramm experimentieren Prof. Rainer Hehl und Studierende aus aller Welt mit zukunftsorientierten Zugängen zur Typologielehre. Eine spekulative Reise auf der Suche nach unerwarteten Ergebnissen.

„Counterintuitive Typologies“

Assoc. Prof. Andreas Lechner über kontraintuitive Typologien in Lehre, Forschung und Praxis

Interview von Natalie Pawlik

Andreas Lechner ist assoziierter Professor an der Architekturfakultät der Technischen Universität Graz und führt zudem sein eigenes Architekturbüro. Außerdem leitet er das Forschungsprojekt „Counterintuitive Building Typologies“, das von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützt wird. Wir haben ihn zu seiner Lehre und Forschung befragt, wie er den Begriff „Typologie“ definiert, und was es mit den sogenannten kontraintuitiven Typologien auf sich hat. Des Weiteren berichtete er uns von seiner Publikation „Entwurf einer architektonischen Gebäudelehre“, die jüngst in einer zweiten überarbeiteten Auflage erschienen ist.

Was bedeutet für Sie der Begriff „Typologie“ in der Architektur?

Typologien in der Architektur sind eine Art grundlegender zeichnerischer Studienmodus, der über Plandarstellungen Beziehungen oder Verweise zu vorhandenen räumlichen Relationen und Nutzungszusammenhängen herstellt. In meinem Buch „Entwurf einer architektonischen Gebäudelehre“ gehe ich dem ausführlich nach und betone die zentrale Rolle kodifizierter Darstellungen. Im Gegensatz zu Fotografien und Perspektiven erlauben uns Grundriss und Schnitt den Zugriff auf ein bauliches und gebautes Gedächtnis komponierter Form. Innen- und Außenräume können gleichzeitig erfasst werden. Als Entwurfsrecherche und Inspiration müssen typologische Studien weder streng wissenschaftlichen Kriterien folgen noch zum platten Kopieren verführen. Das Studium von Typologien sollte dabei helfen, die Qualität eines architektonischen Entwurfs zu erhöhen, weil dieser seine Kraft immer aus der Spannung von Neuem und Vertrautem zieht.

Inwieweit kann eine Typologie durch die Gebäudenutzung definiert werden? Was passiert im Falle von Umnutzungen?

Nutzungen sind einfache gemeinsame Nenner, mit denen wir die Population der Bauwerke intuitiv und sprachlich nach Konventionen sortieren – Einfamilienhaus, Gotteshaus, Rathaus, Supermarkt, Markthalle usw. Umnutzungen lassen uns dabei aber kurz innehalten, weil sie mit diesen Konventionen scheinbar brechen. Dabei machen Um- und Weiternutzungen das hybride Wesen der Stadt aus und müssen zukünftig weit mehr als nur Altstadtschutz und Denkmalpflege umfassen. Sie bezeugen, dass das Verhältnis von Formen und Funktionen ein relatives ist und, dass es einen Spielraum dazwischen gibt.

Sie haben den Begriff „kontraintuitive Typologie“ geprägt. Was verstehen Sie darunter?

Eine kontraintuitive Typologie zeichnet aus, dass sie im engeren oder weiteren Sinne eine Art von Umnutzung ist. Mit diesem angedeuteten Widerspruch aus konventionellen oder vertrauten Formen und Funktionen – Typologien –, die aber eben auch unerwartet – kontraintuitiv – ausfallen können, weise ich natürlich auf die architektonische Gestaltungsexpertise hin. Architektonisches Entwerfen ist sowohl konservativ, weil es immer wieder auf Lösungen zurückgreift, die sich in langen Prozessen stillschweigenden Austestens bewährt haben, als auch kreativ, weil es diese Lösungen an den ständigen Wandel von Bedingungen anpassen muss. Diese Spannung aus Konservativem und Kreativem nimmt drastisch ab, wenn wir uns aus der Zone kulturell und historisch bedeutsamerer, baulicher Zusammenhänge in die Stadt der Gegenwart bewegen. Im territorialen Maßstab der zersiedelten Landschaft begegnen uns nur noch Fragmente und Stereotypen.  Hier setzten die „kontraintuitiven Typologien“ an und fragen, wie durch ein Um- und Weiterbauen der Verstädterungslandschaften öffentlichere, schönere und gesellschaftlich wertvollere Orte entstehen könnten.


Wie vermitteln Sie das Konzept in der Lehre? 

Der Umbau von konkreten Bauwerken zieht sich als thematischer Faden durch meine Entwurfsstudios der letzten Jahre – etwa 2019 mit den Kolleg*innen von TEd'A arquitectes beim Umbau eines Kasernengeländes in der Peripherie Palmas in Mallorca – aber auch durch die von mir betreuten Masterarbeiten. In der deutschen Zweitauflage meines Buches ist ein Heft mit Auszügen zwölf solcher Abschlussarbeiten beigelegt. Wie die 144 Projekte im Buch zeigen auch diese, wie Räume einer organisierten Öffentlichkeit kritisch weitergedacht werden können. Sie bauen an bestehenden Bauten und Infrastrukturen, an Produkten der Immobilienwirtschaft und an Verstädterungslandschaften weiter.


Gibt es ein Projekt, das sich als kontraintuitive Typologie auszeichnet? 

Bernhard Ogrisek hat in seiner Masterarbeit „Das Infra-Gewöhnliche. Alltagsfragmente des Grazer Umlands“ Verstädterungslandschaften genau aufgezeichnet. Anhand dieser Siedlungslandschaften, die vermeintlich kaum Identität, Ausdruck oder Relevanz besitzen, entwickelt er eine Philosophie der Alltagsbeobachtung, das heißt der konzentrierten Wahrnehmung und des Ernstnehmens der baulichen Realität bis ins kleinste Detail. Innerhalb der vorstädtischen Agglomeration bilden Infrastrukturen den Unterbau, auf dem er dann die unbeachteten, übersehenen baulichen Formen durch den abstrakten, künstlerisch-wissenschaftlichen Blick der Zeichnung montiert, analysiert und befragt beziehungsweise typologisch umkreist.


Wie manifestieren sich kontraintuitive Typologien in Ihrer Lehre, Forschung und in Ihren Publikationen? Wie beeinflussen sich diese drei Bereiche gegenseitig?

Diese Bereiche lassen ich am besten in der Praxis, in Form eines Demonstrationsprojekts verweben. Akademisch treffen die drei Bereiche in der forschungsgeleiteten Lehre und in der interdisziplinären Kollaboration zusammen. Im Rahmen des dreijährigen Forschungsprojekts „Counterintuitive Building Typologies“, das gerade von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG bewilligt wurde, untersuche ich Innovationspotenziale zur nachhaltigeren Transformation von Gewerbe- und Einzelhandelsstandorten. Mögliche Transformationen werden dabei auch von Studierenden als Entwurfs- und Masterstudios bearbeitet. In dem Forschungsprojekt wird diese architektonische Expertise dann mit ingenieurwissenschaftlichen Fachkenntnissen verknüpft und in Form einer Publikation veröffentlicht. Bei der Entwicklung weiterer Forschungsprojekte zur Peripherie versuche ich die architekturtypologische Perspektive aber auch mit kulturwissenschaftlichen, künstlerischen und architekturtheoretischen Fragestellungen über Ausstellungs-, Diskussions- und Publikationsformate zu vereinen.

Data Center

Das Servermanifest von Prof. Niklas Maak

Text von Sorana Radulescu

Unauffällig und anonym – Datenspeichergebäude führen sowohl im urbanen als auch im landschaftlichen Kontext ein Inkognito-Dasein. Bemerkenswert ist aber das Spannungsverhältnis zwischen der sozialen und politischen Bedeutung dieser Bauten und ihrer architektonischen Präsenzlosigkeit. Dieser Widerspruch bestätigt sich durch die fehlende typologische Definition der Datenspeichergebäude. Im Rahmen seiner Gastprofessur an der Städelschule, der Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt betrachtete der bekannte Architekturkritiker Prof. Niklas Maak zusammen mit einer interdisziplinären Gruppe Studierenden das Thema der baulichen Korrespondenz unserer ätherischen Datenwelt – und zwar aus sozialpolitischer Perspektive. Das Projekt und dessen theoretischer Überbau lassen sich als Kritik in mehreren Akten lesen, eine Kritik an die unsichtbaren Bauten, die aber das wertvollste Gut unserer digitalen Gegenwart behausen: unsere Daten. 

Die bauliche Verwirklichung unserer Realität aus der Wolke

Dass Daten das größte Eigentum der heutigen Gesellschaft darstellen, lässt sich mit Sicherheit nicht an der Repräsentativität und am gestalterischen Anspruch des Baubestandes  erkennen. Die Begriffe „Serverfarm“, „Datenspeichergebäude“, „Data Center“, „Rechenzentrum“ führen alle gedanklich zu introvertierten Industriebauen – undurchlässige Hüllen für undurchsichtige Verfahren. Welche Räume und Nutzungen sich hinter den Begriffen verbergen, ist unklar. Bislang haben sich Datenspeichergebäude scheinbar jeder typologischen Bestimmung entzogen.

Wie kam es dazu? Die junge Historie dieser Bauten bietet eine Erklärung: Die Geschichte der Data Center wurde in den letzten Jahrzehnten vorwiegend von privaten Unternehmen geschrieben, für die die Sichtbarkeit und die gestalterische Ausreifung keine Priorität hatten. Heutzutage wird jedoch der Bedarf, das physische Pendant zu unserer digitalen Realität typologisch zu umschreiben, mit der steigenden Bedeutung unserer Datenwelt stringenter. Niklas Maak erkannte diese Notwendigkeit und ging in der Formulierung seiner These sogar einen Schritt weiter: Datenspeichergebäude bedürfen nicht nur einer typologischen Präzisierung in der Architektur, sie sollten sogar zur wichtigsten Bautypologie des 21. Jahrhunderts proklamiert werden. Wie lässt sich aber diese neuartige Typologie zeitgemäß definieren?

 

Eine atypologische kritische Auseinandersetzung 

Im Entwurfskurs des Wintersemesters 2021/22 an der Städelschule entschied sich Niklas Maak bewusst dagegen, eine konkrete bauliche Aufgabe zu formulieren. Anstelle dessen stieß er ein Aufklärungsprojekt an, das auf einer rein konzeptuellen Ebene verbleiben sollte. Die Ergebnisse sind als Impulsgeber für das weitere Nachdenken über eine später mögliche Typologie des Datenspeichergebäudes zu verstehen. Unter dem Slogan „Data is common good“ richtete er den Blick auf die Problematik des Dateneigentums. Darauf aufbauend beschäftigten sich die Studierenden aus unterschiedlichen Kunstsparten und der Architektur mit der  Frage: Wieso sind Datenspeichergebäude und Serverfarmen teils die unauffälligsten Mitbewohner unserer städtischen und ländlichen Gebiete? 

Diese gesellschaftsrelevante Fragestellung entfachte die offene Debatte, die von der kritischen Attitüde der Kursteilnehmer*innen getragen wurde. Die junge Generation interessiert sich zunehmend für Datensicherheit und möchte die Implikationen ihrer digitalen Tätigkeit verstehen – darunter auch die bauliche Auswirkung. Dieses Interesse deckte sich mit Niklas Maaks längerfristigen Beschäftigung mit der Problematik. Schon im Jahr 2020 behandelte er beispielsweise das Thema der Serverfarm-Landschaft gemeinsam mit seinen Studierenden der Harvard Graduate School of Design im Rahmen der „Countryside, The Future“ Ausstellung im Guggenheim Museum, New York.

 

Ein Manifest für das Sichtbarmachen

Das Buch „Servermanifest. Architektur der Aufklärung: Data Center als Politikmaschinen“ (Hatje Cantz Verlag, 2022) versammelt die Ideen und Konzepte, die Niklas Maak an der Harvard Graduate School of Design und an der Städelschule zum Thema bearbeitet hat. Die acht Studierendenprojekte, die im Buch aufgeführt werden, spielen sich auf einer konzeptionellen Ebene ab und manifestieren einen angestrebten Idealzustand. Erkennbar in den Arbeiten ist die Aufforderung nach einem transparenten, ehrlichen Umgang mit den Daten. Auch wenn die präsentierten Konzepte keine bauliche Konkretisierung wagen, prognostiziert Niklas Maak die bauliche Verwirklichung unserer Realität aus der Wolke: Ein Hybrid aus Rathaus, Park, offenem Platz, Ausstellungsräumen, Forschungseinrichtungen und einer öffentlichen Serverfarm.

Eine typologische Einordnung von Datenspeichergebäuden könnte die bisher fehlende architektonische Aussage treffen, die das Verhandeln der aktuellen Machtverhältnisse und das Schärfen des gesellschaftlichen Bewusstseins für Dateneigentum maßgeblich beeinflussen könnte. Was sich noch weitgehend jenseits der öffentlichen Wahrnehmung abspielt, muss zu einem der wichtigsten Anliegen unserer digital vernetzten Gesellschaft werden und eine bauliche Formulierung erfahren, so Maak. Denn hinter dieser bequemen Unsichtbarkeit lassen sich die Folgen und Auswirkungen unseres digital geprägten Alltags nur noch schwer verstecken.


Das Ende der Typologie?

Das Masterprogramm „M_ARCH_T“ an der Technischen Universität Berlin

Text von Johannes Medebach

In Zeiten zunehmender Individualisierung müssen die Architekturschaffenden Typologie neu denken: Sie darf nicht mehr als Korsett eines reinen Funktionalismus dienen, welchem sich die pluralistischen Ansprüche von Gesellschaften weltweit unterordnen müssen. Die Architekturfakultät der Technischen Universität Berlin bietet als Reaktion darauf seit 2017 den internationalen englischsprachigen Master „M_ARCH_T“ an. Das von Prof. Rainer Hehl geleitete Masterprogramm setzt einen Schwerpunkt auf Typologie, und steht damit in der Tradition des Hauses – schon in den 1960er Jahren machte sich Oswald Mathias Ungers als Lehrer an der TU Berlin mit morphologischen und typologischen Studien auf struktureller Basis einen internationalen Namen.

 

Die Sprache der Architektur

Typologie ist die Sprache der Architektur. Sie soll allgemeingültig les- und verstehbar sein, deswegen basiert sie auf einem Regelwerk, sozusagen einer Grammatik der Architektur. Gesellschaftliche Transformationen hatten und haben immer einen Einfluss auf Sprache, folglich bleibt auch die Typologie davon nicht verschont. Gerade befinden wir uns in einer Zeit des Umbruchs: Ereignisse mit großer Wirkmächtigkeit wie die Covid19-Pandemie oder der immer spürbarer werdende Klimawandel führen uns vor Augen, dass viele althergebrachte, standardisierte Modelle und Denkweisen nicht mehr funktionieren. Es bedarf einer neuen Sprache – die Studierenden des „M_ARCH_T“ versuchen, diese individuell neu zu formulieren.

Wird Typologie als reine Katalogisierung des funktionalen Aspektes verstanden, wohnen dieser Denkweise bereits Begrenzungen inne. Der Ansatz, der sich seit Jean-Nicolas-Louis Durand im 18. Jahrhundert entwickelte, hat bis heute großen Einfluss auf das Nachdenken über Typen in der Architektur. Laut Prof. Hehl befinden wir uns momentan in einer Umbruchphase und gleichzeitig in einer paradoxen Situation. Während die Standardisierung im Bauwesen weiter zunimmt, entwickelt sich unsere Welt in eine immer weiter fragmentierte Entität. Diese Standards, zusammen mit den festgesetzten typologischen Bildern müssten die künftigen Architekturschaffenden allerdings hinterfragen, um auf die neuen Anforderungen reagieren zu können. Die Sensibilisierung darüber sei, laut Prof. Hehl, eines der Ziele des Master-Programmes.

 

Experimentelles Herumbasteln 

Die zentrale Lehrveranstaltung des Programmes ist ein experimentelles Entwurfsstudio. Zur Bearbeitung geben die Lehrkräfte möglichst weit gefasste Themenbereiche anstelle konkreter Entwurfsaufgaben vor, so zum Beispiel „Architektur des Anthropozäns“ oder „Typologien der Arbeit“. Die Offenheit dieser Form von Aufgabenstellung ermöglicht es den Studierenden, sich von allzu kontextspezifischer Projektentwicklung freizumachen. Auf diese Art und Weise entsteht ein akademischer Denkfreiraum, in dem ohne Zwänge entworfen und experimentiert werden kann. Innerhalb der Projekte variiert der Maßstab der durchgearbeiteten Aspekte – von einzelnen Bauteilen bis zum städtebaulichen Maßstab.

Zunächst analysieren die Studierenden im Kurs Referenzen: Wie haben sich Typen und Elemente unter gegebenen Umständen historisch entwickelt? Um die Typologie weiterzuentwickeln oder gar zu überwinden, ist ein fundiertes Basiswissen über deren Historie essenziell. Die unterschiedlichen Herkünfte der einzelnen Kursteilnehmer*innen erweisen sich in diesem Zusammenhang als besonders wertvolle Informationsquelle. 

Im weiteren Verlaufe sollen die Kursteilnehmenden aus dem generierten Wissen neue Bausteine und Elemente herausarbeiten. Diese können im Sinne einer Bricolage, was sich ins Deutsche übersetzt als „Herumbastelei“ versteht, zu etwas Neuem zusammengesetzt werden. Der Grundgedanke hinter dem vom Ethnologen Claude Lévi-Strauss geprägten Begriff ist, Probleme mit vorhandenen Ressourcen zu bewältigen, anstelle zur Überwindung immer neue, maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. 

 

Einzigartige Antworten

Hybridisierung ist ein wichtiges Schlagwort für die Arbeit im Kurs. Hierin sehen die Lehrkräfte eine Strategie, um die herkömmliche Architektursprache zu transformieren und neue, unerwartete Bedeutungen zu schaffen. Ein Hybrid negiert an sich die strikte Kategorisierung in einen typologischen Katalog. Als offenes System gedacht, erweitert die hybride Architektur den Möglichkeitsraum. Zielsetzung von „M_ARCH_T“ ist nicht, eine vorgefertigte Methodologie zu lehren, sondern den einzelnen Studierenden das Werkzeug an die Hand zu geben, um sich ein eigenes Vokabular zu bilden und mit diesem Einfluss auf die Sprache der Architektur zu haben. Wie unsere heutige Welt sind auch die Entwürfe am Ende sehr divers. Jedes Projekt ist eine einzigartige Antwort!