Platz 5

September / Oktober 2014

Fachhochschule Erfurt

Wachstum und Identität

Archiv als Gedächtnis der Stadt

von Sophia Schmidt

Hochschule:

Fachhochschule Erfurt

Abschluss:

Master

Präsentation:

06.02.2014

Lehrstuhl:

Prof. Philipp Krebs

Rubrik:

Kulturbauten

Software:

Vectorworks, Photoshop

Der Krieg lies von der einstigen Kulturhochburg Kassel mit dem Fridericianum als erstem öffentlichem Museum des europäischen Festlandes nicht viel mehr als Trümmer zurück. Der Stadt, die sich über Jahrhunderte als liberaler Schmelztiegel entwickelte, wurde ihre Lage und Industrie unter Hitler zum Verhängnis. Über Nacht wurde die als luftkriegssicher propagierte Gauhauptstadt quasi ausradiert, um unter den Prämissen der autogerechten Stadt nach großteils in den 30er Jahren angelegten städtebaulichen Konzepten wieder aufgebaut zu werden. Die traumatisierte Bevölkerung musste die Veränderungen ungefragt hinnehmen, der Verlust des Gesichts der Stadt und der Identifikation ihrer Bewohner mit der Heimat ist nachhaltig spürbar.

Die documenta befasst sich stetig mit dieser Thematik, reaktiviert Ruinen, nutzt Bestand um, versucht durch das Medium Kunst und Architektur Identität zu schaffen. Inspiriert von einigen der bedeutendsten und meist diskutierten Installationen der documenta, nämlich dem Himmelsstürmer, Christo & Jean-Claudes 5600cm package, dem vertikalen Erdkilometer und Joseph Beuys' 7000 Eichen, versucht dieser Entwurf Kassel etwas ur-städtisches zurückzugeben: Vertikalität. Mit der vertikalen Komponente des neuen documenta-Archivs gehen zwei weitere Faktoren einher. Zum einen Zeit, da das Archiv vertikal erweiterbar ist, und so mit der wachsenden Zahl der Archivalien über die Zeit schrittweise wächst. Und zum anderen Materialität, da das Archiv aktuelle Entwicklungen, die mit der Zeit eingelagerter Archivalien einhergehen, repräsentieren soll. So kann die vorelementierte SBT-Sandwichbauweise in einer nächsten Phase beispielsweise durch digitale Fertigung in Form bauseitigen 3D-Plotts mit Gradientenbeton abgelöst werden.

Das Archiv wächst physisch mit dem Gedankengut, das es beinhaltet und gleichzeitig als Symbol für eine wachsende städtische Identität, auf einer neu entstehenden kulturellen Achse, die den Königsplatz im Nord-Osten, den Hauptdocumenta-Standort Friedrichplatz und neue musealen Entwicklungen auf dem Weinberg im Süd-Westen verbindet.

Ein den Archivturm umgebendes Wasserbassin schafft eine physische, aber vor allem psychologische Distanz zwischen Baukörper und Nutzer. Die Spiegelung der hohen, schmalen und monolithischen Kubatur, die Materialität und die einzige Möglichkeit des Betretens des bunkergleichen Gebäudes über einen langen schmalen Steg verstärken diese Empfindung und schaffen ein spezifisches Bewusstsein für den Inhalt und Umgang mit dem Gebäude. Das transitorische Erdgeschoss als reiner Vermittler zwischen der öffentlichen Ausstellungsebene im UG, der halb-öffentlichen Spezialbibliothek in OG 1-4, sowie den Archivgeschossen darüber komplettiert die Wirkung dieser besondere Symbolhaftigkeit.

Das Archiv als Symbol einer kulturellen Identität setzt einen Anker für Kassels Bewohner und damit Impulse für eine schrittweise Annäherung zwischen Kassels reichem kulturellem Erbe und der traumatisierten Bevölkerung.