September / Oktober 2013
Hochschule RheinMain
Verlorener Raum
Eine architektonische Auseinandersetzung mit Resträumen im urbanen Raum

Hochschule RheinMain
Diplom
03.07.2013
Prof. Kleine/Prof. Kunze
Experimentelle Entwürfe
Vectorworks, Ps, Ai, Id
Verlorener Raum
Tragstrukturen haben neben ihrer eigentlichen Funktion eine raumbildende Qualität.
Dieser Raum gerät ins Blickfeld, wenn man die Beziehungen zwischen den einzelnen Tragelementen betrachtet.
Im urbanen Kontext findet man unzählige Strukturen, in deren Tragwerken sich „verlorene Räume“ identifizieren lassen.
Elemente der städtischen Infrastruktur wie Treppen, Straßen, Wassertanks, Eisenbahngleise sowie der kulturellen Bespielung wie Werbetafeln, Skulpturen.
In dieser Arbeit geht es um eine architektonische Auseinandersetzung mit solchen „irregulären" Räumen, um die Erschließung dieses Raumes unter der Bedingung, den meist monofunktionalen Strukturen eine weitere Aufgabe ohne Einschränkung der Primärfunktion zu geben.
Es geht also nicht um eine herkömmliche Umwandlung oder Umnutzung von obsolet gewordenen Bauwerken, sondern vielmehr um die Mehrfachnutzung vorhandener Strukturen.
Exemplifiziert wird dieses Thema an einer sehr kleinen Struktur, mit der spielerisch umgegangen werden kann und die beispielhaft für Größeres sein kann.
NYC
Ort dieser Arbeit ist der Inbegriff, der Prototyp des Urbanen – NYC.
Im Rahmen einer Studienreise nach NYC galt es, “verlorene Räume“ zu suchen und ein Objekt für eine Intervention zu finden.
Billboard
Gegenstand dieser Arbeit ist eine Werbetafel auf einem Gebäude an der 10th Avenue, Ecke W 36th Street in NYC.
Urban Gardening
Die New Yorker sind bekannt für ihre kreative Auseinandersetzung mit ihrer städtischen Umgebung.
So haben sie auch seit etwa 40 Jahren vielfältige Formen des Urban- und Guerilla-Gardening entwickelt.
Die Dächer wurden zu Gärten und sogar Farmen umgewandelt und in der Hitze der Flachdächer gedeihen exotische Früchte und Gemüse.
Stehen bisher meist die Motive Erholung, Selbstversorgung und Handel im Vordergrund, wird hier die urbane Flora als wissenschaftliches Forschungsfeld betrachtet.
Urban Botanical Research Array (U.B.R.A.)
Der Raum innerhalb der Tragstruktur auf der Rückseite des Billboards wird von einer botanischen Forschungsstation besetzt - dem Urban Botanical Research Array (U.B.R.A.).
Hauptauftrag der Installation ist die Untersuchung der urbanen Flora.
Die Anlage ist eine Vorrichtung zum Auffangen und Ansiedeln der in der Stadtluft fliegenden Samen und Sporen. Sie leistet das folgendermaßen: Ist die Glasfassade geöffnet, strömt die Außenluft durch das Glashaus und trägt die Samen in das Innere. Dort werden sie von den Pflanzsystemen aufgefangen und unter den perfekten Bedingungen eines Gewächshauses zum Keimen gebracht.
An den verschiedenen Pflanzkästen lässt sich nach erfolgreicher Besiedelung ein Überblick der urbanen Flora gewinnen.
Der Standort über den Dächern bietet durch die ständige Luftströmung zwischen den Straßenzügen ideale Voraussetzungen für die Aufgaben des U.B.R.A.
Aufbau
Der Raum innerhalb der Diagonalträger des Billboards wird umlaufend mit einer Glasfassade geschlossen.
Die Flächen zwischen den Bodenträgern und der Rückseite der Werbetafel werden mit Pflanzkästen ausgefacht.
Eine metallische Kapsel ragt seitlich aus dem geschlossenen Glashaus.
Im Außenbereich werden eine weitere Pflanzwanne sowie eine Terrassenfläche installiert.
Kapsel
Dem U.B.R.A. Forscher steht eine Kapsel zur Verfügung, die aus einer Wohnzelle und einer Arbeitsplattform besteht.
Der Wohnbereich bietet auf engstem Raum die Grundausstattung wie Bett, Tisch, Dusche und Kochgelegenheit.
Die offene Arbeitsplattform lässt sich abkoppeln und ist über ein Schienensystem fahrbar.
Sie dient nicht nur als Arbeitsbereich für den Forscher, sondern in automatisiertem Modus der Bewässerung und gezielten Verschattung bestimmter Flächen.
Da nur die Kapsel den Zugang in das Innere des Glashauses erlaubt, fungiert sie mit den lukenartigen Türen auch als Schleuse zwischen der urbanen Außenwelt und dem Kleinbiotop.
Das Zusammenspiel von technoider Architektur und sorgsam gepflegtem Biotop in den Resträumen einer anspruchslosen, aber nicht reizlosen Reklameinstallation soll auf einem Bitumenfeld 30m über dem Meeresspiegel nicht nur einen erkenntnisstiftenden, sondern auch einen "poetischen" Ort schaffen, ohne auf sentimentale Floskeln zurück zu greifen.