Januar / Februar 2015
Universität Stuttgart
Raum für Zeit
Theoretische Annäherung

Universität Stuttgart
Diplom
23.10.2014
IGMA Institut für Grundlagen modernen Architektur und Entwerfen, Prof. Dr. phil. Gerd de Bruyn
Kulturbauten
Rhino, Vectorworks, Photoshop
Der moderne Mensch hat scheinbar keine Zeit. High-speed- und to-go-Produkte versprechen Kompensation. Zeitmanagementseminare helfen den Tag effizient zu takten, um möglichst schnell alles zu haben, überall zu sein, erreichbar- und leistungsbereit zu bleiben. Aus der Schneller-Besser-Effizienter-Ideologie entspringt wertvoller technischer und wirtschaftlicher Fortschritt, den niemand missen möchte. Doch geht ein humanverträgliches Maß verloren, reagieren Menschen sensibel: Erschöpfung, Ermüdung, Rastlosigkeit, Hektik, Stress, Angst oder Überforderung. Burn-Out gilt fast schon als Modewort. Welchen Einfluss nimmt die Architektur auf diese Entwicklung der Moderne und wie kann das Missempfinden der Zeit durch Raum beeinflusst werden? Wir haben uns dem Verhältnis von Raum und empfundener Zeit mit einer theoretischen Analyse zur Wechselwirkung von Raum, Mensch und Zeit genähert.
Grundannahme für räumliche Umsetzung unserer Erkenntnisse ist die Interdependenz des Gefüges Raum- Zeit-Mensch. Der Entwurf greift die Variable „Raum“ heraus und besetzt sie mit zwei Alternativen. Beide architektonischen Raumkonzeptionen stellen Orte der Bewusstheit dar, an denen Architektur die Aufmerksamkeit der Rezipienten auf ihre eigene Wahrnehmung lenkt. Durch die Bewusstwerdung von Raum, können sich Momente der Besinnung, Reflektion und der Selbstkonfrontation eröffnen. Elementare Gedanken bekommen den im Alltag verdrängten Raum. Ob die Gebäude als Denkmal, Mahnmal oder Erlebnis der universellen Zeit verstanden werden, muss dem aktiven Besucher überlassen bleiben. Die beiden Alternativen sind im Herzen der Stadt Budapest geplant. Das bedeutendste stadtprägende Element ist der Fluss. Er symbolisiert Beständigkeit und gibt Geschwindigkeit vor. Der ausgewählte Ort befindet sich auf der Donau, im Schnittpunkt relevanten urbanen Sichtachsen, auf Höhe der Innenstadt.
Die erste, im Wasser stehende Alternative, wirft durch ihre Introvertiertheit Fragen auf. Geleitet vom Drang das Ungewisse zu entdecken, beschreitet der Besucher im Inneren einen definierten Weg durch unbekannte und dramatische räumliche Situationen. Diese Konzeption führt die Menschen durch Räume, die in ihrem Alltag nicht vorhhanden sind. Somit passen die Besucher ihr Verhalten ständig neu an und nehmen ihre Umgebung bewusst wahr. Die Abfolge der verschiedener Atmosphären, Stimmungen und Erfahrungen wird durch reduzierte architektonische Mittel und die bewusst herbeigeführten Lichtverhältnisse geschaffen. Für den gleichen Ort konzipiert, stellt die zweite Alternative einen vertikalen Körper dar. Die Besucher sind im Inneren des Turms ständig vor eine Auswahl von Möglichkeiten gestellt. Die Erfahrung der Entscheidung erbringt für den Menschen eine Perspektive der Bedeutsamkeit von Vergangenheit und Zukunft. Somit bilden Entscheidungen in diesem Gebäude die markanten Punkte und gliedern die Zeit nicht nur nach Relevanz und Art, sondern haben auch eine direkte Auswirkung auf die räumliche Erfahrung.