3, 2008
Leibniz Universität Hannover
Industriewege Linden-Limmer. Bewegen in städtebaulichen Fugen

Leibniz Universität Hannover
16.06.2008
Prof. Dr. Martin Prominski und Dipl.-Ing. Börries von Detten
Experimentelle Entwürfe
Ausgiebige Begehungen des Projektgebietes auf der Suche nach dem "Genius loci" Analyse durch das Medium Video, Erstellen von Wahrnehmungskarten und -diagrammen (in Anlehnung an Lynch) sowie Arbeitsmodellen unterschiedlicher Maßstäbe finale Darstellungsarbeiten mit CAD-Programmen, sowie weiterer Bildbearbeitungs- und Layoutprogrammen
INDUSTRIEWEGE LINDEN LIMMER - BEWEGEN IN STÄDTEBAULICHEN FUGEN
Die Arbeit beschäftigt sich mit Zwischenräumen, die industriellen - funktionalen Ursprungs sind und aus diesem Grund im urbanen Abseits angelegt wurden. Sie stellen einen Bruch - im Sinne eines Spalts im städtischen Gefüge dar. Gleichermaßen besitzen diese Brüche einen Reiz die ins Gebiet locken. Kurze Blicke der "far side" werden erhascht, Berührungsmomente entstehen an Kreuzungspunkten. Einige der Passanten überschreiten bereits die teilweise unsichtbaren Grenzen und treten in die Raumfugen hinein. Nutzer, wie beispielsweise Angler, Skater, Anwohner mit Hund sowie tobende Kinder haben die Qualitäten, die in diesem "Off" liegen, bereits für sich entdeckt, sich die Orte angeeignet und verdeutlichen ein Interesse an der Raumfuge, welches einen Handlungsbedarf zum Erhalt bzw. erstmaliger Erschließung begründet.
Bei den Orten von denen hier die Rede ist, handelt es sich vorwiegend um ehemalige bzw. noch aktive Industriewege Lindens und Limmers im Einzugsgebiet des Lindener Hafens. Jahrzehnte nach ihrer Entstehung unterliegen sie einer neuen Aufmerksamkeit, was unter anderem daran liegt, dass sich die Stadt aufgrund ihres Wachstums räumlich nähert, also die Industrie "nicht mehr draußen vor dem Tore" liegt. Eine weitere Erklärung für die stärkere Wahrnehmung dieser Räume kann auch dem Umstand geschuldet sein, dass sich das Freizeitverhalten im Vergleich zur damaligen Zeit geändert hat. Was damals zum Teil undenkbar war findet heute statt.
Die Zwischenräume, der Lindener Stichkanal, ein brachgefallener Gleisstreifen - die sog. Kohlebahn, sowie das Kerngebiet des Hafens, werden in der Arbeit als Bewegungsraum für Passanten eröffnet. Unter den Prämissen, bestehende Betriebsabläufe nicht zu stören, eine durchgehende fußläufige Verbindung, die an bestehende Freiräume anknüpft sowie die vorhandene Mannigfaltigkeit an Raumcharakteristika zu erhalten, entstand ein Wege-Element, welches auf der Basis einer Schutz- und Führungsfunktion das Bewegen in städtebaulichen Fugen ermöglicht. Eine Art Promenade, ein Strip wird generiert, der ein vielseitiges Repertoire an freien aber vorwiegend besetzten Räumen erlebbar macht. In einem Wechselspiel mit der Umgebung stellt sich das Element dem sich auf ihm positionierten Beobachter mal als Bühne, mal als Tunnel oder wie auf einem Großteil der Strecke lediglich als Weg dar.
Im Verlauf werden Rückseiten zu Vorderseiten, Grenzen verschoben, bisweilen überschritten. Das Element besteht aus grobmaschigen Stahlgitter. Die silbrig glänzende Oberfläche erweckt Aufmerksamkeit, indem es zwischen den Gebäuden und Kränen des komplexen Hafengewühls "hervorblinkt". Ohne das Hafenbild dominieren zu wollen, fügt sich das Element ein. Das Raumobjekt weist im Querschnitt eine sechseckige Grundform auf. Die Ecken übernehmen Gelenkfunktion, so dass je nach Bedarf möglich wird, die Struktur zu variieren.
Der Entwurf schafft eine Aufhebung der isolierten Lage des Industriegebietes und die Integration in den Stadtbezirk wird mit der Durchwegung genauso erreicht werden, wie auch die Befriedigung des Interesses am Hafengeschehen. Vor allem vor dem Hintergrund bestehender und voraussichtlich wachsender Nutzungskonflikte ist die vorgestellte transparente Lösung nicht nur aus freiraumplanerischer Sicht, sondern auch aus unternehmenskommunikativer Sicht interessant. Die Identifikation mit den Stadtbezirken Linden und Limmer wird insofern gestärkt, als dass die industrielle Vergangenheit und Gegenwart nicht versteckt werden, sondern das "Unvollkommene" selbstbewusst inszeniert wird. Hier liegt die Chance von Hannover, neben dem barocken Gartenanlagen und dem Stadtwald eine weitere Alternative der Bewegung im Außenraum anbieten zu können.