2, 2009
Bauhaus-Universität Weimar
Halberstadt, die Innenstadt im Dialog - Wechselspiel von Tradition und Moderne

Bauhaus-Universität Weimar
19.11.2008
Dr. Dieter Hassenpflug
Städtebau
AutoCAD, ADT, Photoshop, Illustrator, InDesign
Halberstadt war einst Hauptstadt eines bedeutenden Bistums, des östlichsten des Karolinger Reiches, das im Zuge der Reformation säkularisiert wurde. Der Halberstädter Dom, die Liebfrauenkirche sowie viele weitere Kirchbauten zeugen auch heute noch von der einstigen Macht jener Bischofsstadt.
Nach dem Bombenangriff vom 8. April 1945 schien die Halberstädter Innenstadt wie ausradiert zu sein. 82 Prozent der historischen Innenstadtstruktur wurden zerstört. Stadtzentrum und Rathaus fielen bis auf die Grundmauern den Flammen zum Opfer. Mit der Gründung der DDR 1949 bekam auch Halberstadt ein neues städtebauliches Leitbild. Während in der Innenstadt kriegsbedingte Freiflächen mit modernen, industriell gefertigten Geschosswohnbauten gefüllt wurden, erfuhr die Altstadt eine kontinuierliche, systematische „Sozialistische Umgestaltung“. Doch der wichtige Ort fehlte: In der DDR kam es zu keiner Zentrumsbebauung. Bis zur politischen Wende 1989/90 fehlten der Stadt und ihren Bürgern Stadtzentrum und Rathaus.
1990 wurde Halberstadt eine der 5 Modellstädte für Stadtsanierung der neuen Bundesrepublik. Daraufhin konzentrierte sich die Stadt auf die Erhaltung und Erneuerung historischer Stadträume. Von besonderer Bedeutung war dabei die Errichtung des Rathauses und die bauliche Formulierung der beiden historischen Märkte als neues Stadtzentrum. 1998 erfolgte dessen Eröffnung.
10 Jahre später, im Jahr 2008, stellt sich mir als Besucherin der Innenstadt die Frage: Was ist das Besondere an der Halberstädter Innenstadt? Sind es die fünf charakteristischen unterschiedlichen innerstädtischen Stadtquartiere, die im Zusammenspiel den Charme der Innenstadt ausmachen? Wie harmoniert die westlich gelegene historische Altstadt mit dem östlichen Gebiet, den Bauten der Nachkriegsmoderne, trotz unterschiedlichem Maßstab und Dimension? Welche Position nimmt dabei das neue Stadtzentrum ein? Erfolgte mit der Realisierung des Stadtzentrums auch dessen städtebauliche Eingliederung in den Bestand? Was qualifiziert das Zentrum oder „die Mitte“ der Halberstädter Innenstadt?
Zum Entwurf:
Die komplexe Aufgabe stellt sich dem Thema der Lösung eines städtebaulich-räumlichen Bruchs im Bereich Hoher Weg, Heinrich-Julius-Straße, Stadtzentrum/Domhang und Kühlinger Straße. Aufgrund der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und der städtebaulichen Handlungen in den Jahren danach entstand hier ein Bruch, der klar erkennbar und spürbar ist. Der Entwurf nimmt diese Nahtstelle auf und widmet sich dabei dem Übergang zwischen „Alt“ und „Neu“. Dabei soll ein Dialog; ein Wechselspiel von Tradition und Moderne entfaltet werden.
Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung eines Übergangs(-raums), der als Dialog(-raum) gesehen werden kann und als Nahtstelle gestaltet wird. Dabei steht die Verbindung des östlichen ausgegliederten, ja fast autarken Innenstadtbereichs mit dem westlich liegenden historisch geprägtem Bereich, die sich maßstäblich kontrastierend gegenüber stehen, im Vordergrund. Hierbei werden beiderseitige Blockaden aufgebrochen sowie für die „dahinter liegenden“ Räume Austauschmöglichkeiten und städtebauliche Vernetzungen angeboten. Gleichzeitig soll das Verständnis von Stadtzentrum in Halberstadt erweitert und neu definiert werden, indem neben Rathaus und den fünf weiteren Gebäudekomplexen auch der Dom einbezogen wird. Ferner wird mittels Funktionserweiterung eine Überleitung zu den benachbarten Innenstadtquartieren geschaffen.