September / Oktober 2013
Karlsruhe Institut für Technologie
Bunkerarchäologie

Karlsruhe Institut für Technologie
Diplom
2013-08-23
Konstruktive Entwurfsmethodik/ Prof. Renzo Vallebuona
Kulturbauten
Vectorworks
Ganz im Norden Frankreichs, unweit der belgischen Grenze, liegt die Hafenstadt Dunkerque. Angelegt im 7. Jh. ist sie seither zu einer 92.000 Einwohner zählenden Universitätsstadt angewachsen.
Aufgrund ihrer strategisch bedeutsamen Lage am Eingang des Ärmelkanals war die Stadt schon früh Ort militärischer Befestigungen und wurde folglich beständig in großmaßstäbliche Verteidigungsanlagen eingebunden. So wurde Dunkerque beispielweise Ende des 17. Jahrhunderts unter Ludwig XIV. Teil des ceinture de fer, des eisernen Gürtels, mit dem der Festungsbaumeister Sébastien Le Prestre de Vauban Frankreich umschloss. Im Zuge der Errichtung des Atlantikwalls während des Zweiten Weltkriegs wurde die vorhandene französische Batterie Zuydcoote durch weitere Bunker ergänzt und die Anlage in Malo Terminus umbenannt. Damit war Dunkerque Teil dieser 2.700 km langen Landschaft befestigter Stellungen, die sich von Norwegen bis Frankreich erstreckte. Die genormten Ausrüstungsgegenstände bedingten die Planung einer begrenzten Palette von Wehranlagen, die als Module und lediglich dem jeweiligen Schutzzweck und der Topografie angepasst angeordnet wurden. Wenngleich diese Normierung den Bau eines Bunkers in kürzester Zeit ermöglichte konnten bis 1943 nur 8.119 der geplanten 15.000 Bunker fertiggestellt werden.
Da die Bunker ihre ursprüngliche Wehrfunktion verloren haben und gleichzeitig durch das Abkippen, nicht mehr in der Lage sind, neue Funktion aufzunehmen, erscheinen sie nur noch als skulpturale Landmarken und stehen als relikthafte Fremdkörper, monolithischen Fragmenten gleich, in der Küstenlandschaft der Region Nord-Pas-de-Calais.
Ziel dieses Diplomes ist es, einen architektonischen Ansatz zu entwickeln, wie man sich diesen idiosynkratischen Fragmente nähern und mit ihnen umgehen kann.
Eine aufgestützte geschosshohe Struktur umspannt die ehemaligen Wehranlagen und bildet ein drei Meter tiefes Band, das auf den Hochpunkten des Dünenkamms aufliegt und durchgehend auf einer horizontalen Schicht über der Landschaft schwebt. Filigrane Stützen, deren Abstände sich zu den Außenkanten hin verdichten, vermitteln die Topografiebewegungen und bieten je nach Lage unterschiedlich hohe Passagen. Dabei umschließt es verschieden Zonen der Landschaft. Das Band fasst die Bunker auf dem Kamm, umgrenzt das alte Fort und Segment der Ebene und ragt, die Geschützbunker umschlingend, in weitem Bogen über das Meer. Aus dem Inneren betrachtet, versperrt dieser 210 Meter durchmessende Ring den Horizont und evoziert das Motiv des hortus conclusus. Die Blickrichtung wird umgekehrt, nicht mehr die Bunker, beobachten das Terrain, sondern die Bunker werden zu Objekten; die Eigenart des Ortes, der schon immer ein anderer Ort in dieser Dünenlandschaft war wird dadurch verstärkt.
Die gebaute Struktur wird zum neuen Fremdkörper. Über die Jahre integriert sie sich in ihrer Umgebung, um im Laufe der Zeit selber zur Geschichte zu werden. Letzten Endes ist und bleibt sie Initiator einer Wandlung dieses Ortes.