Platz 7
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Mai / Juni 2014

RWTH Aachen

Bökerbau

Vom Teilstück zum Solitär

von Rebecca Tritscher

Hochschule:

RWTH Aachen

Abschluss:

Master

Präsentation:

21.02.2014

Lehrstuhl:

Lehrgebiet Denkmalpflege/Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christian Raabe

Rubrik:

Kulturbauten

Software:

AutoCAD, Vektorworks, sketchup,rhino

Der Bökerbau -vom Teilstück zum Solitär
Interaktion zwischen Industriearchitektur des Nationalsozialismus am Beispiel des Bökerbaus und zukunftsbezogener Umstrukturierung und Erweiterung des Raumangebotes sowie stadtbezogener Einbindung in den Kontext zu einem Konglomerat aus Industrie und Lehre.

Der Bökerbau, Industriedenkmal des dritten Reiches in der Chronologie der Bergischen Stahl Industrie, Remscheid liegt brach. Das prominente, denkmalgeschütze Gebäude am Remscheider Hauptbahnhof trotzt dem Abriss der übrigen Firmenbestandteile der BSI. Der L-förmige Riegel erstreckt sich imposante 81 Meter entlang der Weststraße. Zentrumsnah ist damit ein Potential an Raum, Geschichtserfahrung und Ästhetik vorhanden, das mit dem Raumprogramm, einer Kombination aus Lehre und Industrie zum einen zielgerichtet geöffnet werden soll und zum anderen in seiner Gänze genutzt werden kann. Der Fokus liegt auf der geplanten Interaktion:  Die Industrie, vertreten durch die remscheider Firma Flott, und die Lehre, das An-Istitut FGW der Bergischen Universität Wuppertal sollen zusammenkommen. Plakativ: Einen Eingang benutzen. Zudem ist die wechselseitige Beziehung zwischen dem Bestand und der geplanten Eingriffe gemeint, zum anderen soll sich der Bökerbau in seiner Umstrukturierung als Stadtbaustein besser positionieren und erfahrbar sein. Im besten Fall wird der Bau mit den Eingriffen konkretisiert und scheint möglicherweise in seiner überarbeiteten Struktur erst der wahren Bestimmung zugeführt, da die These des geplanten -nicht umgesetzten- Büroturmes als Fehlstelle, Ausgangspunkt des Entwurfes für die Loslösung des Bökerbaus von dem Firmenareal ist.

Die Frage nach Angemessenheit ist der Schlüssel zu einer Symbiose, die auf der einen Seite den Bestand aufwertet und wieder im vollem Umfang nutzbar macht - eine Aussage wieder aufgreift, die dem Gebäude verloren gegangen ist - und auf der anderen Seite der Entwurf den Charakter des Bestandes nutzen kann, um die Geschichte weiter zu schreiben und in dem besonderen Umfeld einen neuen Körper zu schaffen, der von dem geschichtlichen, städtebaulichen, kulturhistorischen und öffentlichen Kontext profitiert.

Das WEGNEHMEN als Instrument zur Konkretisierung des Bestandes. Die Ostfassade wird geöffnet, wie geschnitten, analog zu der Kriegsbeschädigung, die hinter der vorherigen Trapezblechfassade versteckt war. Die große Wunde wird nun übertragen zu einer Schauseite. Sie gewährt Einblick in die Produktionsstätte. Die Fassade als Wegweiser und Blickfang im Städtebau. Abbruch der Vorsprünge zur Reduzierung des Bökerbaus auf seine klare Form des L-förmigem Riegels. Die vertikale Erschließung wird in die Kubatur verlegt. An den abgeräumten Stellen wird die Fassade mit Corten geschlossen und beruhigt.
Das HINZUFÜGEN als Instrument der Stärkung und Ergänzung des Raumprogrammes. Der Kubus schiebt sich in die Bestandsstruktur, generiert einen Schwerpunkt-eine Ausrichtung-für das Gebäude. Die Eingangssituation wird geklärt und definiert. Ein wenig antiquiert, ein bisschen übertrieben: Die Türe aus Messing zurückgesetzt in einer dunklen, ebenmäßigen Fassade. Eine Rampe als Schwellensymbol. Der neue Eingang befindet sich mittig auf dem Hof-unter ihm das alte Drehkreuz der Bahnanlage. Im Inneren schimmert der Magnesitestrich im diffusen Licht des Oberlichts. Der Raum ist hoch und schmal, über dem Eintretenden das Licht und die Büros der Firma und des Institutes. Der Kubatur des Raumes folgend gelangt man zu der repräsentativen  Treppe. Diese führt an der großzügigen Öffnung mit Blick in den Hallenraum des Bestandes hinauf. Von allen Geschossen des Entwurfs sind Blickbeziehungen in den Hallenraum geschaffen worden. Der Kontrast zwischen der Produktion, der Maschinen in großen Hallen und dem schmalen Kubus, mit den Büroräumen und Aufenthaltsräumen  wird deutlich; der Entwurf als Herzstück in dem Trubel, dem Lärm, Geruch und Dreck der Produktion. Der menschliche Maßstab im Vergleich zu dem der Maschinen. Ein geschlossenes Volumen, dunkel, massiv und schwer; farblich abgesetzt im Unterschied zur Backsteinfassade des Bestandes. Dem Bestand setzt sich so der Kubus mit seiner Masse entgegen und behauptet sich im Kontext.

Die Nutzfläche wird um 500m² im rausragenden Entwurfsteil verteilt auf 6 Geschossen ergänzt. Insgesamt umhüllt der Entwurf 1500 m², davon sind 500m² dem Bestand zugehörige Fläche, 500 m² neu geschaffene Fläche im Inneren und die genannten 500m² im Bestands-Außenbereich. Der Kubus durchstößt das Gebäude gegen den Rhythmus der gleichmäßigen Fassade. Die Tragstruktur wird an zwei Achsen ebenfalls gestört, kann jedoch mit Zug-und Druckstreben weitestgehend innerhalb der alten Ordnung weiter ausgeführt werden. Hierzu gehen die Nebenträger zusammen mit der Geschossdecke eine aussteifende Verbindung über Bolzen ein. Die Nebenträger werden miteinander über Zugstäbe verbunden und an den Stützen mit Druckstäben kraftschlüssig ergänzt.  Auf Stützen kann so an der Stelle des Zusammentreffens von Neu und Altbau verzichtet werden. Eine aufwändige Konstruktion, die jedoch den Eindruck des „Hereinschiebens“ vom Neuen ins Alte unterstreicht.

Im Kubus  ist neben den Büros, der Bibliothek, Besprechungsräumen, Aufenthalts und Pausenzonen, sowie Ausstellungs- und Vorstellungsräumen, der Personenaufzug und zusätzlich zu der repräsentativen Treppe, eine notwendige Treppe eingebracht, die bis in den Keller führt.  Über diese erreichen auch die Arbeiter die Umkleideräume im Untergeschoss. Neben dieser Fluchttreppe, sind zwei weitere Treppenhäuser in den Bestand eingestellt worden, die die Sicherheit, sowie die weitere Nutzbarkeit des Bökerbaus möglich machen. Der Keller ist wegen des zweiten Ausgangs über die Fluchttreppe an der Westfassade soweit erschlossen, dass auch dort Firmenfeiern oder Vermietungen stattfinden können. Generell ist mit dem Entwurf eine Trennung des Bestands in den Geschossen möglich. Die Trennung der Nutzung durch die Firma Flott und das An-Institut FGW verläuft daher horizontal: Das Erdgeschoss und das Obergeschoss wird mit Montage, Produktion, Lager und Bürokern bespielt. Im Dachgeschoss findet die FGW mit Laboren, Arbeitsplätzen und dem Hörsaal, der durch die Uni Wuppertal genutzt wird, ausreichend Platz zur Werkzeugforschung und dem Austausch mit Kunden und den Studenten. Eine Überschneidung zwischen der FGW und Flott ist im Zwischengeschoss vom Obergeschoss zum Dachgeschoss eingebaut. Die Lehrbuchsammlung soll zusammen mit dem gemeinsamen Eingang Platz und Raum zum Austausch bieten, mit eingenommen sind die Besucher, wie Studenten und Kunden.

ENTWURFSPARAMETER
-Erschließung des Bestandes klären [ein Haupteingang, klar positioniert] -Ergänzung um eine kleinteilige Raumstruktur/Nebenräume/Toiletten/Umkleiden [Kubus] -Adressbildung und Repräsentation [Öffnen der Ostfassade] -Brandschutzbestimmungen erfüllen, im Sinne der flexiblen Umnutzung [drei Fluchttreppenhäuser] -Auf Sanierungsmaßnahmen im Bestand weitestgehend verzichten [Haus in Haus Prinzip] -Definieren von Räumen und dem Raumangebot [Zonierung der Hallen durch Kubus und eingestellte Boxen] -Erschließung des Kellers von außen [zurücksetzen des Sockelteils] -Anlieferung klären [Verlegung  der Anlieferung vom Hof auf die westliche Straßenseite] -Teilbarkeit des Gebäudes [horizontale Gliederung, Keller reaktivieren]