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September / Oktober 2013

RWTH Aachen

Battersea Power Stadium

Ein neues Fußballstadion für den Chelsea FC London

von Christoph Klanten, Michael Coersmeier

Hochschule:

RWTH Aachen

Abschluss:

Master

Präsentation:

2013-03-22

Lehrstuhl:

Lehrstuhl für Städtebau und Landesplanung, Prof. Kunibert Wachten, Rolf Egon Westerheide

Rubrik:

Freizeit- und Sportbauten

Software:

AutoCAD, Photoshop

Planungsaufgabe: Kohlekraftwerk und Fußballstadion - kann das überhaupt zusammenpassen? Als der Chelsea FC in London im Frühjahr 2012 Interesse am Gelände und Gebäude der Battersea Power Station bekundete, war die Planungsaufgabe einer Umnutzung des alten Kraftwerkgebäudes noch kaum thematisiert.

Durch Fachpresse und Fußballwelt ging eine Welle der Begeisterung, bereits nach kurzer Zeit gab es unzählige unterschiedliche Überlegungen, wie ein Fußballstadion in Verbindung mit einem alten Kraftwerksgebäude aussehen könnte. Nach einigen Wochen war die Zeit des Enthusiasmus bereits wieder beendet, ein Investor aus Singapur hatte den Zuschlag für das Areal mitsamt des alten Kraftwerks bekommen. Mit der vorliegenden Masterarbeit wollen wir den Gedanken des Chelsea FC weiterführen und zeigen eine Möglichkeit auf, wie Fußball und Kohle eine Symbiose eingehen können. Besondere Rücksicht soll an dieser Stelle auf das historische und unter Denkmalschutz stehende Gebäude genommen werden.

Gleichwohl bedeutet eine Umnutzung auch Veränderung. Seit der Übernahme des Chelsea FC durch den russischen Oligarchen Roman Abramowitsch im Jahre 2003 und die damit verbundenen großzügigen

Investitionen in Mannschaft und Verein spielt der Verein eine bedeutende Rolle im englischen und europäischen Fußball. Die derzeitige Spielstätte des Vereins, das Stamford Bridge Stadion im Londoner Stadtteil Fulham, genügt mit einem Fassungsvermögen von 41.837 Personen nicht mehr den Anforderungen des Vereins. Durch die Erfolge in den vergangenen Jahren und der allgemein gestiegenen Popularität des Fußballs benötigt der Verein eine Spielstätte mit einem Fassungsvermögen von deutlich mehr als 60.000 Sitzplätzen.

Eine Verlagerung der Spielstätte auf das Gebiet der ehemaligen Battersea Power Station würde dem Verein einerseits eine Spielstätte an einer prominenten Stelle im Londoner Stadtgebiet ermöglichen und andererseits einen Verbleib in dem Stadtgebiet, in welchem er traditionell beheimatet ist und viele Anhänger hat. Durch der Umwandlung des ehemaligen Kraftwerkes in ein Fußballstadion wird eine neue Spielstätte mit einem hohen Maß an Wiedererkennung entstehen.

Die Battersea Power Station ist bereits für viele langjährige Londoner Anhänger des Chelsea FC ein vertrautes Bild und besitzt das Potential zu einem neuen Wahrzeichen des Vereins zu werden.

Die Umwandlung des Baudenkmales in ein Fußballstadion dieser Größenordnung würde ein Alleinstellungsmerkmal darstellen, welches dem Verein hilft, sich weiterhin von seinen Konkurrenten abzuheben und seiner gewünschten Vormachtstellung sowohl in London als auch in England und Europa starken Nachdruck zu verleihen.

Städtebau:

Grundkonzept des Entwurfes für das neue Stadion des Chelsea FC stellt die Verschneidung der alten Battersea Power Station mit dem neu zu errichtenden Stadionkomplex dar. Dabei soll das historische Gebäude so weit wie möglich unangetastet bleiben und nach wie vor in seiner alten Symmetrie und In-Sich-Geschlossenheit wirken.

Zur Hauptverkehrsstraße südlich des Plangebietes wird eine sechsgeschossige Zeile gewerblichlicher Prägung gebaut. Diese fasst Plangebiet und Straßenraum und bietet den dahinterliegenden Gebäuden gleichzeitig Lärmschutz.

Im Bereich zwischen Gewerbezeile und Themse wird entsprechend dem Vorbild der viktorianischen Reihenhauszeilen ein größeres Gelände mit vier- bis fünfstöckigen Townhouses beplant, die sich in ihrer Grundfläche nicht unterscheiden, Vielfalt aber über ihre individuellen Fassadengestaltungen entstehen lassen. Ein verbindlicher Gestaltungskatalog lässt hier Spielräume, reguliert jedoch das äußere Erscheinungsbild. Bei den Hauszeilen wird vor allem auf Familien mit Kindern als Zielgruppe Bezug genommen, aber auch gut situierte Singles zählen zum möglichen Interessentenkreis. Vorgesehen werden rund 140 Wohneinheiten.

Zum Themseufer entsteht dabei eine Promenade, hinter der in erster Reihe die Townhouses stehen und so Wohnen am Wasser ermöglichen. Ergänzt wird die Promenade durch eine kleine Marina, die bis in den Bereich der Battersea Power Station weitergeführt wird. Dort können auch VIP´s mit ihrer eigenen Yacht zum Fußballspiel erscheinen.

Die Promenade am Ufer der Themse führt gleichsam den Battersea Park nach Osten weiter, da zusätzlich zur am Ufer entlangführenden Straße im Bereich des Stadionplatzes eine aufgedopppelte Baumreihe vorgesehen wird. Vorgeschlagen wird hier die Sumpfeiche - Quercus Palustris. Diese Allee führt einmal um das Stadion herum und lädt so zu einem 360 Grad-Blick auf das Stadion ein.

Um das Stadion herum bleiben große Freibereiche erhalten, um dem Ansturm der über 60.000 Zuschauer auch im Notfall gewachsen zu sein. In den Bereichen der Haupteingänge bilden ebenfalls große Vorplätze, die den Weg in das altehrwürdige Bestandsgebäude über ihre plastischen Bodenbeläge inszenieren.

Ebenfalls in erster Reihe steht ein elfstöckiges Hotelgebäude mit angeschlossenem Tagungsbereich, dass neben Fußballtouristen auch Business-Gäste aufnehmen kann und größere Meetings ermöglicht. Der vorgeschlagene Hotelentwurf sieht dabei insgesamt 126 Zimmer vor, die bis zu 252 Gäste zugleich aufnehmen können.

Auf den alten Bootsanlegern wird vor allem Gastronomie mit Flussblick angeboten, die teils noch stehenden alten Kräne bleiben als skulpturales Relikt der industriellen Nutzung erhalten und ergänzen die alte Battersea Power Station in ihrer Ansicht. Erhalten bleiben außerdem die Arkadbögen der Bahntrassen, die durch Kneipen mit neuem Leben gefüllt werden und in Ergänzung mit der vorgelagerten Grünfläche in den Stunden vor den Fußballspielen mit Fangesängen und Fahnenschwenken belebt werden.

Im Gleisdreieck werden Parkhäuser mit fünf Stockwerken errichtet, zudem wird der Gasometer aus dem Jahr 1935 saniert und durch eingezogene gewendelte Betonrampen zu einem Parkturm umgebaut. Da Ein - und Ausfahrt hier jeweils nur an einer Stelle möglich sind, ist die Zuführung der ausfahrenden Pkw vorrangig zu behandeln, um eine allzu große Rückstauung zu vermeiden. Die Parkhäuser wiederum besitzen in regelmäßigen Abständen Ausfahrten, die in der Nähe des großen Kreisverkehres eine möglichst gleichmäßige Abfahrt der Pkw ermöglichen. Dennoch ist mit Wartezeiten nach dem Ende eines Spiels zu rechnen, was jedoch aufgrund der innenstadtnahen Lage des Plangebietes unvermeidlich ist. Die rund 4.000 Pkw können jedoch überschlägig berechnet nach 1,5 Stunden Wartezeit abfahren.

Architektur:

Grundkonzept ist die Verschneidung des Bestandsgebäudes mit dem neu zu errichtenden Stadionkomplex. Das historische Gebäude soll so weit wie möglich unangetastet bleiben. Eingriffe in den Bestand und auch Ergänzungen lassen sich jedoch nicht vermeiden - bedingt wird dies einerseits durch den bereits vollzogenen Verlust der Originalsubstanz, andererseits auch durch notwendige hinzugefügte Elemente insbesondere im Bereich der Schnittstelle zum Stadion.

Erster Grundsatz für notwendige Eingriffe war dabei, Kubatur und Ornamentik der ursprünglichen Elemente wieder aufzunehmen, dabei aber durch eine sich vom Original unterscheidende Materialwahl dem Betrachter eindeutig vor Augen zu führen, dass es sich hierbei um eine jüngst hinzugefügte Ergänzung handelt.

Eine Abweichung von diesem Konzept ist im Tragwerk des Daches der Battersea Power Station zu finden. Eine Betonrippenstruktur wäre hier nicht zweckmäßig gewesen, stattdessen wurde hier wie im Original auf Stahl zurückgegriffen. Der Unterschied ist hier in der Ausführung zu finden - ursprünglich als Fachwerkträger ausgebildet, wird das neue Dachtragwerk aus mit Seilen unterspannten Trägern bestehen.

Der schonende Umgang mit dem Bestand stand bei der Entwurfsfindung im Vordergrund - tatsächlich muss nur die Längsseitenwand des Osttraktes im Block B weichen, der Rest bleibt erhalten. Dies gilt insbesondere auch für den westlich gelegenen Block A, dessen Art-Déco-Hallen unverändert erhalten bleiben und für Museum und Fanstore genutzt werden. Auch der grandiose Innenraum der zentralen Halle bleibt in dieser Form erhalten und dien als Entrée für die Fanmassen, die sich anschließend in einer Halle des Blocks B auf die unterschiedlichen Ränge verteilen.

Die VIP-Logen werden direkt über die Tiefgarage unter dem Stadionneubau erschlossen und sind über Aufzüge zu erreichen.

Von den Logen aus lässt sich die westliche Haupttribüne betreten, die die beste Sicht auf das Spielfeld bietet und zudem wegen ihrer Westlage frei von Blendeffekten zur nachmittäglichen Spielzeit ist.

Mittel- und Oberrang werden ebenso wie der unterhalb gelegene Unterrang von einem Umlauf bedient, der von Einbauten möglichst frei gehalten wird. Diese Treppen verlaufen parallel zur elliptischen Stadionform und verbinden über eine von außen sichtbare Galerie Alt- und Neubau. Die Organisation bleibt somit für Ober- und Unterrang von außen ablesbar.

Einige Kioske in der Umlaufebene versorgen die Zuschauer mit Lebensmitteln, die platzraubenden Toilettenanlagen sind in einer Zwischenebene unterhalb der Tribünen untergebracht. Ereicht werden die WC´s in der Halbzeit schnell und unproblematisch über hinter den Tribünen gelegene Treppen.

Das Bestandsgebäude nimmt in dieser und weiteren Ebene affine Nutzungen auf. So ist im ehemaligen Block A auf der Westseite ein Sportstudio untergebracht, von dem aus der Blick in die grandiose Eingangshalle gewahrt bleibt, außerdem gibt es an den Stirnseiten der Halle über Aufzüge öffentlich erreichbare Aussichtspunkte. Der Chelsea-Megastore sowie das Museum sind auch in dieser Ebene noch erkennbar, da der Luftraum der entsprechenden Halle bis hierher reicht.

Die Spielerumkleiden befinden sich auf der untersten Ebende des Stadions und sind direkt von der Tiefgarage aus zu erschließen.

Es besteht zudem eine direkte Verbindung zum Pressebereich mit Konferenzsaal und Interviewkabinen, sodass direkt nach dem Spiel

Interviews geführt werden können. Der Reisebus mit den Spielern nutzt die gleiche Tiefgaragenein- bzw. ausfahrt wie die übrigen Fahrzeuge, welche die VIP-Tiefgarage unter dem Stadion nutzen. Diese wiederum wird über die südlich des Stadions verlaufende Hauptverkehrsstraße angefahren.

Die Umlaufebene der einzelnen Ränge soll möglichst frei von störenden Einbauten gehalten werden. Dementsprechend sind die großzügig dimensionierten WC-Anlagen für Männer und Frauen in einer separaten Ebene untergebracht, die in der Halbzeit über direkt hinter den Zuschauerrängen gelegene Treppen zu erreichen sind.

Die Gesamtübersicht der Sitzplätze im Stadionneubau zeigt die Unterteilungen in drei Ränge. Der Oberrang verläuft entsprechend der äußeren elliptischen Form wellenförmig. Die Besucherströme werden über die Freitreppe auf Ober- und Mittelrang sowie den Unterrang gelenkt. Von dort verteilen sich die Zuschauer über den Umlauf auf die Tribünen. Zusätzlich zur Treppe stehen insgesamt 10 Aufzüge bereit, über die Rollstuhlfahrer ihre an der Westtribüne gelegenen Plätze erreichen können. In diesem Bereich befinden sich außerdem barrierefreie WC-Anlagen. Unterhalb der Treppe befinden sich weitere WC-Anlagen und Kioske.

Das Stadion ist letztlich auf eine Nutzung von rund vier Stunden in der Woche ausgerichtet und ist somit für sich genommen ein maximal ineffizientes Gebäude. Daher gilt es zusätzliche Nutzungen zu finden - wie z.B. die Vermietung von Logen als Konferenzräumen und Parkplätzen für Anwohner. Bei dem Projekt des Battersea Power Stadiums bietet sich zudem die Nutzung des Bestandsgebäudes an, was über affine Nutzungen wie der Chelsea FC-Verwaltung, Sportstudios und Museen sowie Shops erfolgt.

Besonderes Potential bietet zudem die Eingangshalle, die auch unter der Woche für zahlreiche spannende Events genutzt werden kann, umso eine möglichst dauerhafte und lebendige Nutzung dieser Architekturikone zu ermöglichen.