Erinnerung bauen Über Lina Ghotmehs Stone Garden in Beirut

30.10.2020

Das Stone Garden in Beirut vor der Explosion im August 2020.
Das Stone Garden in Beirut vor der Explosion im August 2020.
Bild: Iwan Baan

Zur einen Seite wie eine Kriegsruine, zur anderen wie der spitze Bug eines Schiffs – so sollte Lina Ghotmehs ambivalentes Gebäude Stone Garden über die Altstadt von Beirut und die mittlerweile zerstörten Getreidesilos am Hafen hinausragen. Die baulichen Auflagen der Behörden ausspielend, hat die in Paris lebende libanesische Architektin einen Bau entworfen, dessen dreizehn Stockwerke sich auf einem spitzwinkligen Grundriss übereinander legen und mit scharfer Kante über die spärlich erhaltenen Altbauten an der Straßenkreuzung von El Jamarek und Darwisch Haddad erheben, „mit dem mediterranen Himmel wetteifernd“, wie Ghotmeh es beschreibt.

Das geplante Apartmentgebäude sollte die schwere jüngere Geschichte Beiruts widerspiegeln: die Zerstörungen des Bürgerkriegs von 1975 bis 1990 ebenso wie die Gebeuteltheit der Stadt seit der Finanzkrise – aktuell sollen über 50 Prozent der Menschen im Libanon unterhalb der Armutsgrenze leben. Doch seit dem 4. August 2020 hat sich in diese melancholische Architektur eine weitere tragische Ebene eingeschrieben: An diesem Tag reiste Lina Ghotmeh von Paris nach Beirut, um das Projekt nach zehn Jahren Arbeit offiziell zu übergeben. Kurz nach ihrer Ankunft detonierten am Hafen 2.750 Tonnen unrechtmäßig gelagertes Ammoniumnitrat. Das ganze Hafengelände und weite Teile der Stadt sind seither zerstört, die Getreidesilos nur noch Gerippe. Offiziellen Angaben zufolge starben 190 Menschen, 6.500 wurden verletzt.

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