Deutsches Romantik-Museum

28.09.2021

© Alexander Paul Englert

Am 14. September 2021 wurde der Neubau des Deutschen Romantik-Museums in Frankfurt am Main eröffnet. Gezeigt wird eine Sammlung zur deutschen Romantik, die in den vergangenen rund 100 Jahren vom Freien Deutschen Hochstift zusammengetragen wurde und weltweit einzigartig ist.
 
Der von MÄCKLERARCHITEKTEN entwickelte Museumsbau umfasst eine Ausstellungsfläche von rund 1.200 Quadratmetern sowie weitere 400 Quadratmeter für Wechselausstellungen. Bauherrin des Museums war die städtische Wohnungsbaugesellschaft ABG FRANKFURT HOLDING.
 
Die drei Besonderheiten des Bauwerkes am Hirschgraben in Frankfurt sind:
 
•            Als Museum ohne Fenster die empfindlichen Ausstellungsstücke vor einer UV-Strahlung zu schützen und unabhängig davon eine Straßenfassade am Hirschgraben zu entwickeln (1)
•            Als Museum am Hirschgraben in direkter Nachbarschaft zum wieder aufgebauten Goethe-Haus dieses Kulturerbe städtebaulich zu stärken (2)
•            Als Museumgebäude den Gedanken der Romantik aufzugreifen (3)
 
 
1. DIE HIMMELSTREPPE
 
Direkt hinter der Straßenfassade liegt die einläufige Haupttreppe des Museums mit den Zugängen zu den drei Ausstellungsebenen. Diese besondere Lage der Treppe ermöglicht eine städtische Museumsfassade mit Straßenfenstern am Hirschgraben, obwohl alle Ausstellungsräume ohne Tageslichtöffnungen auskommen müssen. Die großen Fenster an den drei Treppenpodesten bilden als einzig sich wiederholende Fassadenelemente die aufsteigende Treppe im Straßenraum ab. Der in Blau getauchte Treppenraum verjüngt sich über die gesamte Länge in Höhe und Breite und täuscht in dieser Perspektive eine „unendliche“ Länge vor, die erst im Hinaufsteigen als Illusion wahrgenommen wird.
 
 
2. DIE 3 HÄUSER DER ROMANTIK
 
Mit der Fassade des in den 1950er Jahren wieder aufgebauten Goethe-Hauses bilden die drei Straßenfassaden des Museums ein Ensemble, indem sie die Fassadentypologie, die vertikale Proportion und Größe des Goethe-Hauses, aufgreifen und damit den kleinteiligen Charakter des Hirschgrabens, wie er vor 1944 bestand, in die Museumsarchitektur aufnehmen. Jedes Haus hat dabei seinen eigenen Eingang an der Straße, den Eingang in das Museum, den Eingang in die Räume der Wechselausstellung und den Eingang für die Schulklassen in die Räume der Kulturvermittlung. Jedes Haus hat auch seine eigene Höhe und Proportion und unterscheidet sich durch Putzstrukturen, Farbnuancen des Gelbtons, Fenster, Friese sowie unterschiedliche Traufhöhen im Übergang zum Schieferdach.
Mit den differenzierten Eingängen, der besonderen Ausbildung der Fenster, dem Erker und der Dachgaube tritt das Innere mit dem Außenraum in Wechselwirkung und verschafft der Geisteshaltung der Romantik im Straßenbild Ausdruck.
 
 
3. DAS HAUS UND DIE GESCHICHTE DES ORTES
 
Die Geschichte des Ortes wird durch gezielt eingesetzte Bauteile und Materialien hergestellt.
Die historische Brandwand des Goethe-Hauses wurde als eines der wenigen Bauteile des kriegszerstörten Gebäudes erhalten, über zwei Geschosse freigelegt und bildet heute einen dominanten Raumabschluss in der Eingangshalle. Im ersten Obergeschoss ist im direkten Gegenüber dieser Brandwand ein kleiner Sitzerker angeordnet, in dem die Geschichte des Goethe-Hauses erzählt wird.
 
Gegenüber der Brandwand findet sich die Bücherwand mit der Bibliothek aus dem Leben eines Sammlers.
 
Am Treppenaufgang zu den Museumsräumen befindet sich in der Brandwand ein altes Fenstergewände aus rotem Mainsandstein, das mit dem Abriss des Bürogebäudes an dieser Stelle freigelegt wurde. Seine Entstehung geht auf eine Zeit vor 1628 zurück, dem Jahr, in dem der Merianplan schon eine angrenzende Nachbarbebauung aufweist.
 
Der Boden der Eingangshalle ist mit farbigem Ziegel und Trümmersteinen der kriegszerstörten Frankfurter Altstadt belegt. In den aufgeschnittenen Trümmersteinen kommen die Materialien der zerstörten Stadt – Basalt, roter und gelber Mainsandstein und verschiedenfarbige Ziegel – zum Vorschein.
 
Ein Blick aus dem Blauen Erker über dem Haupteingang des Museums lässt den Hirschgraben „in einem anderen Licht erscheinen“. Der Straßenraum ist nur verschwommen erkennbar, seine Hässlichkeit wird in dunkles Blau getaucht.
 
Über dem Blauen Erker befindet sich eine Dachgaube, die derart ausgerichtet ist, dass sie durch eine schmale Lücke in der gegenüberliegenden Bebauung einen Blick auf die Türme des Kaiserdoms, der Paulskirche und den Turm der Europäischen Zentralbank freigibt – ein Ausblick auf die geistlichen und politischen Symbole der Stadt zur Goethezeit, überlagert mit dem europäischen Symbol der internationalen Finanzwelt.
 
„Romantisieren ist nichts, als eine qualitative Potenzierung. (…) Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, den Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es. (...)“  Zitat: Novalis 1798
 
ARCHITEKT       
MÄCKLERARCHITEKTEN
 
AUFTRAGGEBER            
ABG FRANKFURT HOLDING (Objektplanung)
 
NUTZER             
Freies Deutsches Hochstift
 
ZEITRAUM        
2016–2021 (Realisierung)
 
LEISTUNGEN     
LPH 1–5, KOL 6–8, Raumbildender Ausbau, Museographie Dauerausstellung im 1. Obergeschoss
 
TEAM   MÄCKLERARCHITEKTEN
Christiane Will, Lothar Klein, Swetlana Keller, Kristina Leifels, Farid Schroeter, Natalia Szanin
 
KÜNSTLERISCHE LEITUNGDAUERAUSSTELLUNGEN IM 2. + 3. OBERGESCHOSS
"Sounds of Silence", Petra Eichler und Susanne Kessler

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